rn
ma 253.
Die Brüder Grimm haben in ihren Deutfchen Sagen (Nr. 585) die
Sage als Plaffenburger Begebnis in ähnlicher Weiſe erzählt, nur wiſſen
fie nichts von dem heimlichen Gericht und der Hinrichtung der Gräfin;
auch haben fie den Zufaß, daß die Gräfin nach der Mordtat auf den Schlöf;
ſern der Hohenzollern umgehe, weggelaſſen, weil ſie hierin {on wieder
eine durch gelehrte Deutung entſtandene Weiterbildung der urſprünglichen
Sage zu erkennen glaubten. Die Verſe der um Schonung bittenden
Kinder geben die Brüder Grimm wie Dumman-Waldenfels (Seite 473),
nur nennen fie den Knecht Hayder ſtatt Hager:
Das Söhnlein:
„Leber Hayder, laß mich leben!
Ich will dir Orlamünde geben,
auch Plafienburg, das neue,
es foll dich nicht gereue“
Das Töchterlein:
„Leber Hayder, laß mich leben,
Ich will dir alle meine Do>en (Puppen) geben.“
Dieſe Verſe87) find aber urſprünglich gar nicht mit Beziehung auf die Er-
mordung der Kinder Kunigundens gedichtet worden, ſondern — be-
zeichnend für das Wandern des Volksliedes — ſie entſtammen einem Lied
über die Ermordung des Grafen Ottos IL. von Meran, welcher als An-
hänger der welfiſchen- Partei vom Kaiſer geächtet, 1248 von feinen Dienſt-
leuten auf der Plaſſenburg oder in Nieden erſtochen worden fein foll.136)
Ein Herold von Hagen — der Ort Haag liegt bei Amorbach in Unter-
franfen — wird in jenen Jahren in ſeiner Begleitung genannt, ihn hat
der Volksmund zum eigentlichen Däter gemacht, und auf ihn gehen die
Verſe, die der junge Herr im alten Liede ſpricht:
„Leber Hager, laß mich) leben,
Ich will dir Nonded und Niesden geben,
Auch Plaſſenburg die neue,
Das ſoll dich nicht gereue.“
Dieſe Geſtalt des Herolds von Hage übertrug das Volk guf die Erz
zählung der neuen Schredenstat in demfelben Grafenhaufe. Aber no
nicht genug damit: In Kinderreimen lebt der ungetreue Vaſall als ſchre>-
hafte Geſtalt weiter, wenn auch gerade hierbei vielfache Namensänderungen
59