Full text: Die weiße Frau

    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
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werden. Ja, man hat die Weiße Frau mit den Methoden des Spiritismus 
aus ihrem Geiſterreih heraus beſchworen und die Ergebniſſe ihres gruſeligen 
Erſcheinens und Kündens finanziell auszunüten verſtanden. Ein Rendant 
Hornung in Berlin verwertete um 1859 ſeine Beſchwörungen der Weißen 
Frau in ſeinen „Geiſtmagnetiſchen Unterhaltungen“ auf dem Jahrmarkt, 
wie man das ja mit Fauſts Höllenzwang und anderen Volfsbüchern auch 
getan hat. Dieſe geiſtmagnetiſchen Unterhaltungen wurden dann duch 
ein Kleines Schriftchen, von unbefanntem Verfaſſer ſtammend, weiteren 
Kreiſen bekannt gemacht: „Die Weiße Frau in ihren bedeutungsvollen 
Erſcheinungen an den Höfen zu Berlin, Carlsruhe, Darmſtadt, München, 
Stuttgart, Wien uſw. Verlag Stuttgart u. Reutlingen, Eduard Fifchz 
haber o. J.“ (um 1860).147) Der unſinnigſte Wirrwarr, der ſich denken läßt! 
Wenn es bisher der Sage geſtattet war, zeitlich und örtlich getrennte Perſonen 
sufammenzubringen und Creigniffe, die nichts miteinander zu tun haben, 
zu verfhmelzen, die „Geifimagnetifchen Unterhaltungen“ Hornungs und 
ſeines Nachbeters_ übertreffen an Kombinationsgabe jede Sage bedeutend! 
Die Beſchäftigung mit der Weißen Frau und die phantaſtiſche Geſtaltung 
dieſes Themas wurde rege im Ausgang des XVIII. Jahrhunderts, als 
ſo viel Schwarm- und Schwindelgeiſter ihr Weſen trieben, als der berüch- 
tigte Caglioſtro von ſich reden machte, weil er, wie er vorgab, das Geheimnis 
beſaß, dem ihm gläubig vertrauenden Menſchen die phyſiſche Wiedergeburt 
zu verſchaffen; als der Vater Gaßner in Ellwangen den Teufel austrieb 
und Wunderkuren verrichtete; als Dr. Mesmer in Wien in dem nZier- 
magnetismus“ die Kraft entde>t zu haben glaubte, „fremde Seelen nicht 
nur zu beherrſchen, ſondern aus den Leibern zu ziehen“; als Schrepfer in 
Leipzig Geiſter zitierte; als Lavater ſeinen „Aber- und Geiſterglauben“, 
zum Ekel für Goethe, literariſ< in die Welt hinauspoſaunte; als Jung- 
Stilling für ſeinen ſeltſamen „Wunder- und Geiſterglauben“ in ſeinem 
vielgeleſenen Roman: „Heimweh“ (1794) Propaganda machte und in 
feiner 1808 veröffentlichten „Theorie der Geifterfunde” — darin ſpricht 
er ©. 351—360 von der Weißen Frau, von deren Exiſtenz er überzeugt iſ*)— 
ſogar verſuchte, den Verkehr der abgeſchiedenen Geiſter mit der diesſeitigen 
Welt in ein wiſſenſchaftliches Syſtem zu bringen. In dieſer Zeit der Geiſter- 
Romantik fand, wie geſagt, die Sage von der Weißen Frau vielfach ihre 
dichteriſche Geſtaltung. Hermann Kügler!) hat ſhon das Wichtigſte 
herausgegriffen, wobei er die literarhiſtoriſchen Fragen der gegenſeitigen 
  
  
*) Jung-Stilling glaubt von der Gräfin Agnes von Orlamünde als Weißer Frau 
zu ſprechen, gibt auch ihr Bild bei, redet tatſächlich aber von Berta von Roſenberg! 
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