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Sitte und Brauch im Kreislauf des Lebens.
Freude und Dank, Hoffen und Bangen begleiten wie
bei Saat und Ernte jo auch das Leben des Wenſchen von der
Wiege bis zum Sarge. Wie man ſorgt und hofft, wenn die
Körner der Erde anvertraut ſind, ſo ſorgt und bangt man
auh ſhon um das Kind, bevor es das Licht der Welt
erbli>t, wo es noh vor allem von ihm gilt: „Ihm ruhen
noch im Zeitenſchoße die ſhwarzen und die heitren Loſe“.
Woher? die große Frage aller Menſchenkinder tritt uns
zuerſt entgegen. Woher kommen die Kinder? Plözlich ſind
ſie da, überraſchen die Mutter mit einer Krankheit und be-
dürfen großer Pflege. Ihre Herkunft ift nach dem Glauben
der Kinder verſchieden. In vielen Fällen bringt fie der
Klapperſtorch, der dazu noh häufig die Mutter in das Bein
beißt, daß ſie das Bett hüten muß, oder die „Frau“ bringt
ſie in ihrer Taſche auf Beſtellung von Mutter und Vater.
Die ‘Frau findet fie im Weiher, im Brunnen, im Entepuhl,
alten Schächten, hohlen Eichen, Buchen und dgl. Weiſtens
iſt es ein beſtimmter Baum, ein beſtimmter Brunnen uſw.
So kommen ſie in Schönſtein aus der di>en Eiche bei Siegen-
thal, aus dem Müllers Weiher (Winnersbach), aus dem
Hilgenborn (Elkenroth), aus dem Börnchen bei Büdenholz
(Brachbach), aus dem Höwerſchacht (verlaſſener Schacht bei
Hufe) (Epgert) uſw. In Saſſenroth erhält Fante Martha
öfters einen ganzen Wagen voll aus Köln und hat es ſo
bequemer als die Tante in Steinebach, die die Kinder aus
dem Brunnen oder aus dem Schornſtein holt. In dieſem
Zuſammenhang kennt man dort die Redensart: „der Schorn-
ſtein iſt eingefallen“.
Wenngleich jedes Kind angenehm iſt, fo iſt do< im
allgemeinen die Freude über die Geburt eines Knaben
größer als über die eines Mädchens. Bei der Geburt eines
Knaben iſt ein „Prinz angekommen“, bei der eines Mädchens
ſagt man: „Es iſt ja nur ein Strömpeflutſcher“ (Frieſenhagen).