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über dem Hochzeitägajter auch noch folgende Stelle: „Wäh-
rend ih — — — — nachdenke, bin ih nah der Wetterbach
gelangt, wo ich ein altes fränfliches Ehepaar, Onfel und
Tante des Bräutigams, einladen ſoll. Sie werden ja nicht
zur Hochzeit kommen, aber ih muß meine Schuldigkeit tun.
Die Gajtformel brauch ich bier nicht herunterzuleiern, auch
bleibt der Gaſtſtab vor der Türe. Die Greiſin kommt haſtig
aus der Futterkammer in die Küche gelaufen. „Der Martin
und das Lieschen laſſen euh freundlih zur Hochzeit bitten,“
platte ih in Eile heraug. Die Alte fuchtelt wie abwehrend
in der Luft herum: „O wieh, o wieh, du häjt den Dut (Tod)
gegaft! Dig Nach es he geſtorwen! jammerte die Alte und
zeigte auf die brennende Ampel vor dem Madonnenbilde
in der Wandniſche hin. „Du häſt den Dut gegaft, du häſt
den Dut gegaſt,“ wiederholte die Ärmſte, die über Nacht
ihren Lebensgefährten verloren hat.* (Wenn der Hochzeits=-
gajter in ein Haus tritt, wo ein Toter Liegt, fo bedeutet das
nad) dem dortigen Voll3glauben für die Brautleute Un=
glü>; „Der Tod iſt zur Hochzeit geladen“, heißt es; daher
gibt man dem Hochzeitsgaster von einem Todezfall in der
Verwandtſchaft ſofort Kenntnis.)
Die Schenf-, Gebe- und Wirts8hochzeit iſt über den
ganzen Kreis verbreitet. Als ihr eigentliches Gebiet iſt das
Wildenburger Land anzuſehen. Früher ſcheint ſie noh mehr
üblich geweſen zu jein und noch mehr einen geſchäft8mäßigen
Charakter gehabt zu haben, da man e3 für nötig hielt, bei
den Schenkhochzeiten um 1880 ganz oder wenigſtens doh
teilweiſe das Führen von Schenkliſten zu verbieten. So war
es der Fall in Bachenberg und Kirchen. Heute bezahlen die
Brautleute bei der Schenkhochzeit gewöhnlich den Niorgen-
kaffee, während die Gäſte die übrigen Speiſen und Getränke
ſelbſt beſtreiten müſſen. Infolgedeſſen nehmen an dem Wit=
tageſſen nur ſolche Leute teil, die mit dem Brautpaar in
näherer Verbindung ſtehen, z. B. Verwandte, Freunde und
Nachbarn. Das Brautpaar ſißt mit den Eltern und den
nächſten Verwandten an dem Brauttiſch, wo alles „frei“ iſt.
Für reihlihe Unterhaltung iſt geſorgt. Vorträge ernſter und
heiterer Art wechſeln miteinander ab, und Mädchen beglüd-
MiO
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