Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

  
  
  
Skulpturen 
Aussen-Kanzel 
Marienkapelle 
Heiligenhaus 
106 KREIS OFFENBACH 
spitzbogiger Eingang führt in das flach eingedeckte Innere. Der inschriftlich von 
Johann Hebern 1605 gestiftete Altar enthält in der Mitte des von Säulen getragenen 
Aufsatzes ein die Taufe Christi darstellendes Gemälde ohne besonderen Kunst- 
werıh. Davor steht der frühere, aus dem 17. Jahrhundert stammende Schrein des 
Gnadenbildes, für welchen der in der Pfarrkirche befindliche neue Heiligthum- 
schrein keinen befriedigenden Ersatz gewähren kann. — An den Seiten des Altars 
sind am Boden zwei lebensgrosse Holzstatuen von Heiligen aufgestellt, deren 
Attribute theilweise fehlen: eine männliche Figur und eine Frauenfigur, beide 
plastisches Mittelgut im bewegten Formenausdruck des 17. Jahrhunderts. Das 
gleiche Formen- und Zeitverhältniss theilt die in einer Nische befindliche Ecce- 
Homo-Statuette. — An die westliche Aussenseite der Kapelle lehnt, sich eine 
steinerne Äangel an, die durch ihre Anlage im Freien dem Prediger die Mög- 
lichkeit darbietet, vor einer auf dem Friedhof versammelten zahlreichen Hörer- 
schaft zu sprechen. Die Kanzel ist polygonal angelegt. Die Simsprofillirungen 
erinnern an die deutsche Frührenaissance, wenigstens deutet die in Wasserschlag- 
bildung abgeschrägte untere Simsumgrenzung entschieden auf diesen Ursprung hin. 
Die Bekrönung des Schalldeckels in den geschwungenen Linienzügen der soge- 
nannten Barock-Zwiebelform gehört dem vorigen Jahrhundert an. Die gegenwärtige 
Beschaffenheit der Heiligkreuz-Kapelle verlangt dringend nach einer verständniss- 
vollen Herstellung. 
Ausserhalb des Begräbnissplatzes, nahe beim Dorfe, gibt eine Statue des 
h. Johannes von Nepomuk durch das auf dem Postament angebrachte Wappen 
Zeugniss für die auch entfernteren Orten zugewandte Kunstliebe der Aebte des 
Benediktinerklosters zu Seligenstadt. Das Material der Statue ist bunter Sand- 
stein. Die Meisselführung geht über eine gewöhnliche Technik nicht hinaus und 
auch das sonstige künstlerische Vermögen des Verfertigers kann nicht befriedigen. 
Die erneuerte Marienkapelle, eine kurze Wegstrecke westlich vom Dorfe, 
nahe beim neuen Friedhof gelegen, heisst im Volksmund einfach Ferhgenhaus 
und wird für eine alte Votivgründung zum Gedächtniss an die glückliche Abwehr 
der Pest gehalten. Den Altar ziert ein Krucifixus, eine Leistung der Holzplastik, 
vom Schluss des ı5. Jahrhunderts, welche der Ueberlieferung zufolge aus einer 
Kirche zu Hanau stammt und zur Zeit der Reformation in diese Kapelle über- 
tragen wurde. Die Figur des Gekreuzigten, in zweidrittel Lebensgrösse, gibt in 
stark realistischem Ausdruck den Zug des Leidens wieder und zeigt in den fleisch- 
losen Körperformen wie in der derben Technik die eigenartige Charakteristik der 
Entstehungszeit. — Vor der Kapelle steht, in buntem Sandstein ausgeführt, eine 
Pietas-Gruppe, ebenfalls in zwei Drittel lebensgrossen Abmessungen. Der Ver- 
fertiger war sichtlich von dem besten Willen erfüllt, die Gruppe der h. Jungfrau 
mit dem entseelten Heiland im Schooss nach hergebrachter typischer Auffassung 
darzustellen; allein es fehlte ihm die volle Befähigung für eine hochkünstlerische 
Wiedergabe der erhabenen Idee. Der Ausdruck des Weinens in den plastisch über 
alles Mass dargestellten Thränen in den Augen und auf den Wangen der Madonna 
wirkt geradezu abstossend, von der mangelhaften Kenntniss der Anatomie des 
     
  
  
  
  
  
     
   
   
    
   
   
     
   
   
   
  
  
   
  
   
  
  
  
  
   
   
    
   
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
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