Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

  
  
  
  
   
    
    
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
   
  
   
   
    
  
   
  
  
  
  
  
   
    
  
   
  
   
   
   
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
  
KREIS OFFENBACH 
  
160 
Oberbau durch Vermittelung von jonischen Kapitälen mit stark ausladenden Voluten 
und sind flankirt von geschwungenen ÖOrnamentabschlüssen mit wohlstylisirten Ro- 
setten und Passionsblumen. Die eine Figur ist mit gefaltenen Händen dargestellt; 
die andere legt die rechte Hand auf die Brust und lässt die Linke herabsinken. 
In der Mitte des Altars wölbt sich über dem Simszug der Predella eine Nische 
im Zirkelschlag. Darüber erscheint Gottvater in Reliefdarstellung. Das Relief ist 
umrahmt von zierlichen Pilastern, über welchen die verstümmelte Bekrönung auf- 
steigt. Die Felder der seitlichen Ornamentabschlüsse sind von grotesken Thier- 
figuren umgeben und zeigen Anklänge des sogenannten Metallstyles, welcher 
Formen geschmiedeten Bandwerkes plastisch auf den Stein übertrug. Die Thier- 
grotesken umschlingen medaillonförmige Reliefbildwerke mit Darstellungen aus der 
Leidensgeschichte. Rechts erscheint die Oelbergscene, links die Kreuztragung. 
Diesen beiden Passionsbildern entsprechen auf den Predellaflächen die Geisselung 
und die Dornenkrönung. Der Gedanke liegt nahe, dass diese Vorgänge als Be- 
standtheile des Cyklus der fünf schmerzhaften Geheimnisse des Rosenkranzes zu 
erklären sind, worin zur Vervollständigung des Ganzen nur die Kreuzigung fehlt. 
Als Darstellung des Höhepunktes des Erlösungswerkes auf Golgatha schmückte 
dieses fehlende Relief ohne Zweifel das Nischenfeld im Centrum des Altaraufsatzes. 
Im Laufe der Zeit wurde das plastische Werk durch ein kunstloses Madonnen- 
gemälde verdrängt, welches in der Auffassung an das in der St. Jakobskirche zu 
Innsbruck befindliche Mariahilfbild von Lukas Kranach d. Ä. erinnert. Glücklicher 
Weise ist das aus dem Altar entfernte Relief noch vorhanden. Jeder Kundige 
erkennt es sofort in der Kreuzigung, welche an der Aussenseite des Kirchleins 
am Chorhaupt eingemauert ist. Die formlosen Umrisse der Steinplatte verrathen 
deutlich die Spuren des gewaltsamen Herausbrechens aus dem Gesammtwerk. Wir 
erblicken eine figurenreiche Darstellung, 70 cm hoch, 60 cm breit, deren Mitte 
der gekreuzigte Heiland mit den Schächern einnimmt. Der göttliche Dulder neigt 
in Ergebung das Haupt. Die Schächer sind lebhaft bewegte Gestalten. Der eine, 
Dismas, blickt vertrauensvoll zum Heiland auf; der andere, Cesmas, schaut abge- 
wendet zur Erde. Magdalena knieet am Fuss des Kreuzes. Im Mittelgrund rechts 
sinkt die schmerzgebeugte Mutter in die Arme der frommen Frauen und des 
treuen Jüngers Johannes. Links erscheint ein vornehmes Paar zu Pferde, allem 
Anscheine nach der Donator und die Donatrix des Altares. Sie sind begleitet 
von einem bewaffneten Knappen und schauen theilnehmend dem ergreifenden Vor- 
gange zu. In einiger Entfernung von dieser Gruppe steht ein Engel mit einem 
Knaben an der Hand. Weiterhin kauern die um des Erlösers Gewand würfelnden 
Söldner am Boden. Zahlreiche Krieger, Peiniger und Zuschauer bewegen sich im 
Vordergrund. Im Hintergrund breitet sich eine von Bäumen umgebene, mit 
Thürmen, Rundtempeln und anderen Gebäuden geschmückte Landschaft aus, als 
ideale Darstellung der Stadt Jerusalem. Die vornehmsten Figurengruppen sind als 
Hochrelief, die Nebengruppen als Flachrelief gemeisselt und 
Darstellung das Bestreben hervor, durch landschaftliche wie architektonische Mo- 
tive der Gruppenbildung und Raumvertheilung im Sinne eines perspektivisch abge- 
stuften Bildes eine malerische Wirkung zu verleihen, eine Behandlung des Reliefs, 
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