Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

    
  
  
   
  
  
  
  
   
   
  
  
  
   
  
  
     
   
    
    
   
   
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
   
  
  
   
   
   
  
  
  
  
   
   
       
   
   
  
  
  
  
  
  
  
     
       
   
   
   
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SELIGENSTADT 
starker Farbenauftrag zwar einen Schluss auf den Werth der Meisselführung ver- 
wehrt, deren scharfkantige Gewandmotive jedoch mit Verlässigkeit auf spätgothischen 
Ursprung hindeuten. 
Die den Friedhof zierende Marzensäule, mit attischem Basament, korinthi- 
sırendem Kapitäl und Engelsköpfen an der Abakusplatte, wurde vor mehreren 
Jahren von der Nordseite der Basilika an ihre jetzige Stelle versetzt. Die Madonnen- 
statue, mit der Inschrift »Haec est Mariae Dei mater imago« und der Jahreszahl 
1709, ist ohne Kunstwerth. — Mehrere auf der Nordseite des Friedhofes zerstreut 
umherliegende, theilweise von Rankenwerk überwachsene SZerinfiguren tragen sämmt- 
lich das Gepräge der Rococo-Plastik. Einige sind in das Kostüm der Zeit gekleidet, 
seltsamer Weise auch eine Einhardstatue, welche das Modell der Basilika in den 
Händen trägt. Die Arbeiten machen den Eindruck von Portalskulpturen und 
lassen aus stylistischen Gründen vermuthen, dass in ihnen entweder der plastische 
Schmuck der früheren Thorhalle (s. S. 202) an der Innenseite des Haupteinganges 
der Abtei zu erkennen ist, oder, was wahrscheinlicher sein dürfte, die Figuren des 
1868 abgetragenen Westportales der Kirche. 
Mit der Einhardbasilika steht in engem baulichen Zusammenhang die Ge- 
bäudegruppe der ehemaligen Denediktiner-Abtei, welche desshalb in den Vorder- 
grund der Monumentalwerke der Profanarchitektur gestellt zu werden verdient. 
Vom Klosterbau der Einhardära ist jede Spur weggetilgt. Ja, wir müssten jedem 
Versuch entsagen, uns eine annähernde Vorstellung davon zu machen, wäre nicht 
der Originalriss der gleichzeitig erbauten Benediktiner-Abtei St. Gallen auf die 
Nachwelt gekommen, welcher eine klare Anschauung von dem Umfang und der 
Einrichtung klösterlicher Anlagen der Karolingerzeit gewährt. Wir wollen keinen 
allzu grossen Werth darauf legen, dass die Urheberschaft dieses Baurisses von aner- 
kannten Forschern, u.a. von Mabillon, keinem Geringeren als Einhard zugeschrieben 
wird, was wohl etwas zuviel behauptet sein möchte. Wichtiger ist schon der 
andere Umstand, dass die Benediktiner, veranlasst durch das gemeinsam sie ver- 
bindende Streben und in Folge des genossenschaftlichen Verkehrs ihrer Nieder- 
lassungen, wie in anderen Fragen des Kulturlebens, so auch bei Bauunternehmungen 
überall aus den eigenen Hilfsquellen schöpften, wodurch in der gesammten Genossen- 
schaft eine noch heutigen Tages in den Hauptzügen erkennbare Gleichförmigkeit 
des architektonischen Schaffens entstand. Es ist hiernach die Annahme höchst 
wahrscheinlich, dass die Abtei zu Seligenstadt — und ein Gleiches gilt für Lorsch 
in ihrer ursprünglichen Erscheinung mit dem in der Bibliothek zu St. Gallen 
aufbewahrten Pergamentplan der dortigen frühesten Abteianlage in allen wesent- 
lichen Stücken übereinstimmte, wonach wir uns die Einhardgründung als eine Gruppe 
von mehreren die Kirche umgebenden Gebäuden vorzustellen haben, die theils als 
klösterliche Wohnungen, theils als Räumlichkeiten für wissenschaftliche, künstlerische, 
handwerkliche und landwirthschaftliche Zwecke dienten. Auch von Ueberresten 
aus der Zeit des romanischen und gothischen Baustyles ist kein Stein mehr auf 
dem andern. Der ganze jetzige Abteikomplex ist vielmehr eine Schöpfung des 
16., 17. und 18. Jahrhunderts. (Vergl. Abb. Nr. 60.) 
/ 
Mariensäule 
Abteigebäude 
  
 
	        
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