Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

KREIS OFFENBACH 
im Grossherzogthum Hessen, wo sie in langer Reihe das Land durchziehen. In der Provinz 
Starkenburg beginnt diese Palatienkette zu Wimpfen am Berg und findet ihre Fort- 
setzung zu Babenhausen und Seligenstadt. In Oberhessen endet sie mit Ueber- 
resten im Schloss zu Büdingen und mit der ansehnlichen Burgruine Münzenberg. 
In Rheinhessen steht von dem durch Kaiser Friedrich Barbarossa erweiterten karo- 
lingischen Pfalzbau zu Nieder-Ingelheim leider kein Stein mehr auf dem andern. 
Ausserhalb des Grossherzogthums und unweit seiner Ostgrenze sind der Hohen- 
staufenpalast zu Gelnhausen und die Wildenburg bei Amorbach als Glieder der 
mittelrheinischen Palatialgruppe zu nennen. Westlich erhob sich das Barbarossa- 
schloss zu Kaiserslautern, dessen Ruine zu Anfang unseres Jahrhunderts dem Erd- 
boden gleichgemacht wurde. Der Trifels bei Annweiler kann hier nur bedingungs- 
weise Erwähnung finden, da seine Anlage von dem System der eigentlichen Palatial- 
architekturen abweicht und mehr den Gesetzen des streng wehrhaften Burgbaues 
folgt. Die genannten Pfalzen tragen sämmtlich das Gepräge des spätromanischen 
Styles, untermischt mit gothisirenden Bauformen des Uebergangstadiums, u. A. in 
besonders kennzeichnender, struktiver wie ornamentaler Weise bei der Wildenburg. 
Die von den Bauhandwerkern bei den damaligen Kirchenbauten erworbene Kunst- 
fertigkeit kam auch diesen Herrenburgen zu gute. Grade zu Seligenstadt weisen 
die am Palatium befindlichen Portale mit ihren zierlichen Einzelformen entschieden 
auf die rüstige Steinmetzenschule hin, unter deren Händen sich an der Einhard- 
basilika der Umbau der Chorparthie vollzog. 
Die Ruine des Palatiums zu Seligenstadt, im Wesentlichen aus der Fassade 
eines langgestreckten Keller- und Erdgeschosses bestehend, breitet sich in erhöhter 
Lage am Mainufer aus und ist durch ein schmales, abschüssiges Gartenterrain vom 
Flussrand getrennt. Die Ruine war lange Zeit Privateigenthum des Besitzers des 
angrenzenden Gasthauses zur Mainlust und wurde in den sechziger Jahren Gemeinde- 
eigenthum. Ob das Gebäude auf der Stelle eines Römerkastells, einer karolingischen 
villa regia und des von Einhard einst bewohnten Domanialhofes steht, wie Einige 
annehmen, ist nicht unwahrscheinlich aber unerwiesen. Im Volksmund heisst das 
Bauwerk das rohe Schloss, ein Name, welcher von der Farbe des allem Anschein 
nach aus den Miltenberger Brüchen gewonnenen bunten Sandsteinmaterials herrührt. 
Die quellenmässigen Nachrichten über das Gebäude fliessen spärlich. Sie beschränken 
sich auf die in Urkunden des 15. Jahrhunderts wiederholt vorkommende Benennung 
»des kaisers hus« und auf die von den Historiographen Steiner und Dahl aus einem 
von ihnen nicht näher bezeichneten Manuscript vom Jahre 1629 entnommenen 
Stelle, »wonach das Bauwerk damals Kaiserhaus geheissen und ein noch ganz 
stattliches Ansehen, vollständige Keller, Fensterbögen mit Säulen gehabt habe; das 
Uebrige sei jedoch zerstört und auf der Ruine seien neue Gebäude errichtet worden 
Nach Steiner wurden diese Neubauten bei dem grossen Brande und der Plünderung 
der Stadt durch die Truppen der verbündeten französisch-weimaranischen Armee 
im Jahre 1646 in Asche gelegt. Abgesprengte Werkstücke im Innenbau dürften 
von dieser Katastrophe herrühren. In Ermangelung hinreichender schriftlicher Nach- 
richten mögen die steinernen Urkunden, d. h. die technischen und stylistischen 
Merkmale des Gebäudes reden und seine Gründungszeit mitbestimmen helfen. Und 
    
  
  
  
  
  
  
   
    
    
     
     
   
    
           
  
  
   
   
    
    
  
  
  
    
     
  
  
  
    
     
   
	        
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