SELIGENSTADT 225
des anderen Gebäudes, welches die Jahreszahl 1596
trägt. Im Erdgeschoss sind die Fensterwandungen
von gekreuzter Stabprofilirung umrahmt und darum
ohne Zweifel älter als der Oberbau, welcher auf kräf-
tigen, stellenweise gut stylisirten Konsolen vorspringt,
die auf den Beginn des 17. Jahrhunderts hindeuten.
Ein Erker (vergl. Abb. Nr. 75) an der Ecke des Mittel-
geschosses wird am steinernen Unterbau von einer
kauernden Groteskfigur getragen und baut sich im
oberen Theil als reich geschnitzte Holzarchitektur auf.
An den Seiten und Winkeln treten ebenfalls Gro-
tesken hervor. Vom Scheitel des in Volutenformen
geschwungenen Giebeldreiecks schaut eine männliche
jüste herab. Den Kopf bedeckt eine faltige Mütze.
Die Gesichtszüge sind von porträtartigem, jedoch skurril
naturalistischem Ausdruck. Dem dekorativen Aeusseren
entspricht das Innere des Erkers und das damit in
Verbindung stehende Zimmer. Prachtvolle Stucco-
arbeiten schmücken die Decken dieser Räume. (Vergl.
Abb. Nr. 76.) Linearmuster und Fruchtschnüre, im
v sogenannten Metallstyl gehalten, dienen als Umrah-
Yo. 75. Seligenstadt. . x SET - . E
I en mung einer Gruppe figürlicher Darstellungen in Hoch-
Irher U HArKIDIOE. relief. Als Mittelpunkt der Salondecke erscheint in
einem grösseren Rundfeld Judith mit dem Haupt des Holofernes. Den Hinter-
orund bildet eine architektonische, mit zahlreichem Kriegsvolk belebte Scenerie,
als Andeutung der Belagerung der Stadt Bethulia. Kleinere Rundbilder bringen
die Fabeln vom Fuchs und Storch, vom Fuchs und Esel, ferner die Geschichte der
Xantippe und die phantastische Gruppe der drei Hasen mit dem gemeinsamen
Löffelpaar zur Anschauung. Am Plafond des Erkers sprengt ein Ritter (Kodrus
oder Marcus Curtius?) hoch zu Ross in den Opfertod. — Das vormalige Gasthaus
zum Stern zeigt die Jahreszahl ARRR (1444) über einem einfach profilirten
Spitzbogenthor. — Das Haus der Familie Weber, mit Fruchtschnüren und den ver-
einigten Wappen von Kurmainz und Hanau, trägt die Inschrift: Deus fortitudo
mea et pars mea. Das Gasthaus zum Ochsen hat rundbogige Oberfenster und
die Jahreszahl 1584 über dem Eingang.
Aschaffenburger Strasse. Im Flur des Hauses Nr. 27 stützt den Durchzug
der Decke eine Holzsäule, die als ein ganz vorzügliches Werk ornamentaler
Schnitzkunst aus der besten Zeit deutscher Renaissance zu schätzen ist. Sämmt-
liche Säulentheile, Kämpfer, Schaft und Basament, sind wie übersponnen mit Mas-
carons und Verzierungen im Metallstyl, die ungeachtet ihrer Fülle gesetzmässig
gegliedert und von trefflicher Wirkung sind. (Vergl. Abb. Nr. 77.) — Am Haus
Nr. 52 ein Portal von 1692 mit gebrochenen Bogengiebeln über dem von herab-
hängenden Voluten flankirten Thürsturz.
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