Full text: Kreis Offenbach (A, [1])

> 
GROSS-STEINHEIM 57 
Das Zaufbecken an der südlichen Chorpforte ist aus buntem Sandstein ge- 
meisselt, in oktogonaler Grundform konstruirt und trägt die Jahreszahl 1605. Der 
daneben befindliche steinerne Weihwasserbehälter gothisirt im polygonen Fuss und 
stammt aus der Kirche zu Klein - Steinheim. Die Ewiglichtlampe vor dem Hoch- 
altar ist eine Metallarbeit im Rococostyl. Ein Werhkessel am nördlichen Eingang 
des Langhauses macht den Eindruck eines hochalterthümlichen Werkes. Das vasen- 
förmiee Gefäss ist aus Bronze und an den Aussenseiten seiner starken Wandung 
mit zickzackförmigen Einritzungen ornamentirt, von denen es zweifelhaft scheinen 
kann, ob sie auf handwerksmässige Unbeholfenheit zurückzuführen oder als dekora- 
tive Versuche einer kunstlosen Frühzeit anzusehen sind. Wir sind geneigt, uns für 
Letzteres zu entscheiden, zumal zwei in den Nodus des Tragbügels beissende 
Schlangenrachen an analoge primitive Bildungen auf merovingischen, karolingischen 
und frühromanischen Erzeugnissen des Metallgusses gemahnen. 
Unter den zum Adrchenschatz gehörigen kunstgewerblichen Erzeugnissen in 
Edelmetall ist das im Pfarrhof aufbewahrte, aus der Schlusszeit der Gothik stam- 
mende Aeliguiar einer Partikel des h. Kreuzes (vergl. Abb. 13) eine Arbeit von 
grosser Schönheit. Das Werk, 26 cm hoch, besteht aus vergoldetem Silber und 
baut sich nach gothischen Gesetzen in Kreuzform auf. Die Enden der Kreuz- 
balken haben kleeblattartige Dreipassformen und zeigen auf der Vorderseite in trefflich 
modellirtem Hochrelief die mit Spruchbändern versehenen Symbole der vier Evan- 
gelisten: Engel, Adler, Stier und Löwe. Auf der Rückseite erscheinen in gravirten 
Umrisslinien mit leichter Schraffirung fünf heilige Frauen: St. Bilhildis, die Stifterin 
und erste Aebtissin des Mainzer Klosters Altmünster, mit dem Abbatialstab in der 
Rechten und einem Buch in der Linken, St. Margaretha mit dem Lindwurm, 
St. Katharina mit dem Rad, St. Barbara mit dem Thurm und St. Gertrudis mit dem 
Spinnrocken. Die Figuren befriedigen weniger im Gesichtsausdruck, aber sie sind 
mit grosser Kunstfertigkeit in den gegebenen Raum hineinkomponirt. Besonders 
die Spinnerin ist eine Komposition voll Anmuth und Lieblichkeit. Die kleine Ge- 
stalt verräth in Auffassung wie Zeichnung die Hand eines Künstlers im Styl des 
Matthäus Grünewald, dessen Schule in den mittelrheinischen Gegenden um die 
Wende des 15. und 16. Jahrhunderts zu hoher Blüthe gediehen war. Die Reliquie 
ist im Mittelpunkt des Kreuzes auf einem, unter einer Bergkrystallscheibe sicht- 
baren Pergamentstreifen befestigt, welcher in rother Minuskelschrift die Worte trägt: 
[a.w u 
eliguie de Mina gancte erucis dni nastri Thesu Xpı, 
d. i. Ueberreste vom heiligen Kreuzholz unseres Herrn Jesus Christus. Unter dem 
Streifen liegt die ebenfalls auf Pergament in gothischen Minuskeln geschriebene 
Stiftungsurkunde, aus welcher hervorgeht, dass das Reliquiar im Jahre 1509 dem 
Kloster Altmünster zu Mainz verliehen worden war. Nach der Aufhebung von 
Altmünster im Jahre 1781 fand ein Besitzwechsel statt und 1816 kam es durch 
Dekan Pfeifer nach Gross-Steinheim. 
Als eine beachtenswerthe, ebenfalls im Pfarrhof aufbewahrte Arbeit der Textil- 
kunst und Nadelmalerei verdient eine Kasula Erwähnung; ihre dem 15. Jahrhun- 
dert entstammenden Schmucktheile sind neuerlich auf modernen tiefrothen Sammt 
4* 
      
   
  
  
     
    
   
   
     
     
   
    
     
      
    
     
       
      
   
   
     
    
   
   
        
   
  
      
     
Taufstein und 
Weihkessel 
Kirchenschatz im 
Pfarrhof, 
Reliquiar 
Textilkunst 
  
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.