GROSS-STEINHEIM 59
. sie von einem älteren Bau herrühren. Das Treppenhaus zeigt mitten unter Renais-
sanceformen Spuren ausklingender Gothik und an manchen Stellen der Wendel-
stiege skulpirte Steinbänder als Vorboten des sogenannten Metallstyles. Das Schloss
ist jetzt verödet mit Ausnahme derjenigen Räumlichkeiten, welche als Betsaal der
evangelischen Gemeinde, Schulzimmer und Lehrerwohnung dienen. Der von Kreuz-
gewölben überspannte Saal im Hauptgeschoss ist jetzt in zwei Räume abgetheilt
2 und mag aus älterer Zeit stammen. An die frühere Ausstattung erinnert nur noch
eine in Oel gemalte Reihenfolge Kurmainzischer Wappen. Die heraldische Serie
ist auf zwei grosse Tafeln vertheilt und trägt die Ueberschriften: »Anfang Deren
Churfürsten zu Maynz«, beginnend mit »St. Willigis # ıoıı«, und »Fortsetzung
Deren Churfürsten zu Maynz«, endigend mit »Karl Joseph von Erthal 1774«. Die
Wappenserie entstand also unter der Regierung des letzten Mainzer Kurfürsten und
ist ohne Zweifel identisch mit der heraldischen Darstellung aus Kloster Seligenstadt,
welche im Beginn dieses Jahrhunderts gegen ein aus dem Nachlasse des Prinzen
Georg von Hessen stammendes, jetzt im Pfarrhof zu Seligenstadt befindliches Oel-
gemälde, Christus am Kreuz, eingetauscht wurde.
Im jetzigen Schlossgarten befindet sich im Bereich der ehemaligen Befestigung ,_ ee
ein Thurmtorso an der Nordostecke der Burg, ferner ein überdachter Thurmrest,
der sogenannte weisse Thurm, im Mauerzug der Ufer-
> fronte. Im Innern des letzten Thurmbaues steht eine
mit karniesförmigem Rande versehene Sandsteinschaale, \
vielleicht ein ehemaliges Taufbecken, und nahe dabei
eine kleine romanische Säule mit einem zierlichen Kelch- |
kapitäl, welches in der oberen Parthie die Würfelform
leicht durchschimmern lässt. Ein Eckkapitäl von gleicher
Grundgestalt und fein gebildeten romanischen Blatt- I
verschlingungen gelangte neuerlich durch kunstfreundliche
Fürsorge in das Grossherzogliche Museum zu Darm-
stadt. : (Vergl. Abb. Nr. 17.)2.: 05 diese Säulenfrag-
mente, welche durchweg aus buntem Sandstein bestehen,
Ueberreste einer romanischen Burgkapelle sind (von
der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts niedergelegten
Fig. 17. Gross-Steinheim. eothischen Burgkapelle des Erzbischofs Konrad von Daun
g Schloss: Sdäulenk können sie nicht herrühren), ob sie, was uns aus stylisti-
schen Gründen und der kleinen Säulenabmessungen
wegen wahrscheinlicher dünkt, als flankirende Stützen kleiner Portale oder des
Lichteadens eines Palatiums gedient haben in Uebereinstimmung mit analogen
Bilduneen an den Palatien zu Seligenstadt, Wimpfen und anderen Orten, dafür
fehlt es an sicheren Nachrichten. Wie dem auch sei; die schönen Säulenreste
sprechen für ein hochentwickeltes künstlerisches Schaffen auf der Burg zu Stein-
r heim in der Epoche der Blüthe des romanischen Baustyles und sind wohl geeignet,
von der verschwundenen Kunstherrlichkeit der Herrenburg der Eppensteiner die
günstigsten Vorstellungen zu erwe« ken.