Holzrelief.
» Mater misericordiaes,
Maria als
Erbach.
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ERBACH 85
mit Ellbogenkapseln und stumpfen Eisenschuhen trägt. In Allem und Jedem des
vorzüglich komponirten Ganzen macht sich der gesunde Realismus der fränkischen
Schule, der Schule von Nürnberg insbesondere, in ihrer Glanzzeit geltend. Die
Gruppe ist, wie es damals nicht selten geschah, unbemalt geblieben und zeigt, mit
Ausnahme einer leichten Glättung, die Holzfasern in natürlichem Zustand. Man
hat das Werk mit dem Namen Veıf Stoss in Verbindung gebracht. Nicht mit
Unrecht; denn es tritt darin Klarheit des Reliefstiles, Rhythmus der Anordnung,
Schönheitssinn und geistreiche Behandlung des Individuellen und Lebenswirklichen
hervor, wie solche Vorzüge diesem grossen Meister unter den zeitgenössischen Holz-
plastikern der kunstliebenden Norisstadt in besonders hohem Grade eigen sind.
Unter allen Umständen ist das Relief ein ebenso liebenswürdiges wie hervorragendes
Werk, gleichzeitig aber auch eine jener merkwürdigen Schöpfungen, welche, obschon
an der Schwelle der neueren Kunst stehend, noch einmal mit bewunderungswürdigem
Gestaltungsvermögen den überlieferten Typus der Madonna als mater misertcordiae
plastisch zur Darstellung bringt, ähnlich wie diess fast gleichzeitig von Hans Holbein
d. J. malerisch in seinem Meisterwerk, der Madonna von Darmstadt geschah,
auf welchem die Familie des Stifters gleichfalls als Schutzbefohlene der Himmels-
königin unter deren ausgebreitetem Mantel im Gebet vereinigt därgestellt ist. In
der Folge trat diese Auffassung im künstlerischen Schaffen mehr zurück ; in süddeutschen
Landen dient sie jedoch bei Mariendarstellungen noch heute als beliebter volksthüm-
licher Kirchenschmuck. — Eine kleine Relieferuppe, ebenfalls spätgothischen Stiles,
der Tod Martä, kann sich zwar mit dem vorigen Werke weder an hoher Vortreff-
lichkeit der Komposition noch an Feinheit der Meisselführung messen, ist aber
immerhin, besonders durch den charaktervollen Realismus der das Sterbebett um-
gebenden Apostel, eine namhafte Leistung der Schnitzkunst aus der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts. — Zwei stattliche Chorpulte aus der ehemaligen Prämon-
stratenser- Abtei zu Mönch-Roth in Schwaben (s. als Beispiel Fig. 50) geben
durch die als Träger dienenden Engelfiguren ein lobendes Zeugniss für die holz-
plastische Kunstübung des Barocco gegen Ende des 17. Jahrhunderts und theilen
mit der ebendaher stammenden prächtigen Flachdecke der Hirschgallerie (s. 0. S. 75)
die gleiche artistische Werkstatt.
In der beträchtlichen Folge höchst werthvoller Erzeugnisse der Kleinkunst
in Edelmetall steht rühmlich voran: der Doppelpokal des kunstliebenden Kurfürsten
und Mainzer Erzbischofs Dieterich, Schenk von Erbach. (Fig. 51.) Das um die
Mitte des 135. Jahrhunderts entstandene, 37 cm hohe Prachtgefäss setzt sich als
Ganzes aus zwei aufeinander gestülpten, gerundeten Trinkschalen von rothem Jaspis
und silbervergoldeter Fassung in der Weise zusammen, dass es beim Gebrauch in
selbstständige Hälften zerlegt werden kann. Die so entstehenden, formengleichen
beiden Einzelpokale zeigen am Fuss sechs Kreissegmente mit vorspringenden Ecken
und in ihrer Umrandung eine Folge von im Zickzack wechselnden Dreipässen.
Den hervorragendsten Schmuck bilden auf der Standfläche die in opakem Email
ausgeführten \Vappenschilde von Erbach und Kurmainz, welche von blauem trans-
lucidem Email sich abheben. Die sonstigen Fassungsbestandtheile, wie auch die
Ränder und Henkel der Trinkschalen sind durch gothische Vegetativgebilde in
Prachtgefässe
in Edelmetall