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Rother und
ChinesischerSaal;
Prachtgeräthe
Privatsamnılung;;
Holzplastik
Tafelmalerei
88 KREIS ERBACH
der Feinheit der Durchführung. Sämmtliche Einzelformen der Ornamentation, die
Modellirung des Schlüssels nicht ausgenommen, sind mit einem sich nicht genug-
thuenden Fleiss bis in’s Kleinste durchstilisirt. Die geschwungenen Formen der
sogen. Flamboyant-Gothik legen den Gedanken an nordfranzösischen oder fland-
rischen Ursprung des zierlichen Werkes nahe. .
An kunstgewerblich beachtenswerthen Möbeln, von den Epochen der Gothik
und der edleren Renaissance bis herab zum Rococo und Zopfthum, enthalten die
Sääle eine solche Menge, dass wir, um uns nicht in die Breite zu verlieren, von
jeder Einzelbeschreibung absehen und auf allgemeine Andeutungen uns einschränken
müssen. — Der Kofhe Saal ist besonders reich an Prachtmöbeln, vornehmlich
an kostbar ausgestatteten Schränken der verschiedensten Art, auf deren Vorsprüngen
und Simsen die seltensten Erzeugnisse der Verrerie und Keramik vereinigt sind:
Reichshumpen mit Glasmalereien, Figuren und Figurengruppen nebst reichen Ge-
fässserien von Meissner und Flörsheimer Porzellan, fränkische und niederrheinische
Trinkgefässe, Töpfer-Steinzeug u. a. m. — Das Chinesische Zimmer umschliesst,
wie der Name sagt, alle erdenklichen Geräthe und Gefässe aus dem Reiche der
Mitte. —- Die im Obergeschoss des Schlossbaues gelegenen Wohnräume für Gäste
enthalten unter Glas und Rahmen zahlreiche Original-Sepialands« haften von Philipp
Hackert, insbesondere treffliche Veduten aus der Umgebung von Rom und Tivoli. —
Schliessen wir die Musealumschau mit dem Hinweis auf die Folge der aus den
Zeiten der Erbachischen Souveränetät stammenden Münzen, welche, wie dies hier
selbstverständlich ist, in den schönsten Exemplaren und in grösster Vollständigkeit
vertreten sind. So fügt sich in den Gräflichen Kunstsammlungen Kleines zu
Grossem und verleiht dem Ganzen den Ausdruck eines einheitlichen Planes in
edlem Maass und harmonischem Zusammenklang.
Die Privafsammlung weiland Sr. Erlaucht des Grafen Ernst zu Erbach-
Erbach enthält kunstgeschichtlich werthvolle Stücke der Plastik und Malerei des
Mittelalters und der Renaissance. Unter den Skulpturen steht obenan: eine holz-
geschnitzte, fast lebensgrosse Marzenstatue (Fig. 54), welche allem Anschein nach
zu einer Kreuzigungsgruppe gehörte. Das Haupt der Madonna ist in tiefem
Schmerz gebeugt; die Hände sind zum Gebet vereinigt; die Gewandung fliesst in
breiten Falten herab. Die sehr tüchtige Leistung verräth inmitten des vorwiegenden
Zuges der beginnenden Renaissance noch manches Formmotiv der gothischen
Spätzeit und ist somit ein charakteristisches Denkmal des Stilüberganges zweier
grosser Kunstepochen. — Ein holzplastisches, leider beschädigtes Werk der Barock-
zeit ist eine Reiterstatue des h. Martin von eindrittel Lebensgrösse. Die Gruppe
stammt aus einem ehemaligen Frauenkloster zu Billigheim im Badischen Odenwald.
Das Erscheinen des Schutzpatrons der Mainzer Erzdiözese an diesem Orte kann
nicht befremden, da Billigheim eine Kellerei des Eızstiftes war. Der fromme
Reitersmann und spätere Bischof von Tours ist dargestellt, wie er seinen Mantel
theilt. Der Bettler fehlt in der Gruppe. Das Pferd schreitet voran mit dem Aus-
druck kraftvoller Bewegung. — Aus der Anzahl altdeutscher Holztafelmalereien
vom Ende des 15. und Beginn des ı6. Jahrhunderts sind hervorzuheben: eine
Verklärung auf Tabor in Abmessungen von 78—99 cm. Christus steht in
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