KREIS ERBACH
Dom zu Mainz, das Epitaph ebenfalls schon ein Zurückweichen der gothischen
| Minuskel zu Gunsten der römischen Majuskel zeigt, während das Monument archi-
h tektonisch wie plastisch, figürlich wie ornamental, noch durchaus den Gesetzen der
Spätgothik folgt.
M Glasgemälde Die in Rede stehende Stilbestimmung wird nachdrücklich unterstützt durch
h den anderen auf die Nachwelt gekommenen Ueberrest der alten Kirche, das schon
h flüchtig erwähnte Glasgemälde (Fig. 1). Dieses Bildwerk spielt eine gewisse Rolle
) in der Geschichte der Stadt. Den Wünschen der Bürger entgegen war es i. ].
h ı803 als Geschenk des Grafen von Erbach-Fürstenau in das Gräfliche Museum
H nach Erbach gelangt und in der Beerfeldener Kirche durch ein modernes Fenster
N ersetzt worden. Der Vorgang führte zu einem Rechtsstreit, der zu Ungunsten der
N
Stadt endigte. Jahrzehnte vergingen, aber die Beerfeldener konnten und wollten
den Verlust nicht verschmerzen. Endlich, in den stürmischen Märztagen des Jahres
u 1848, gelang es ihnen, die Rückgabe des Glasgemäldes durchzusetzen, welches
h seitdem das östliche Mittelfenster der neuen Pfarrkirche ziert. Die Uebertragung
j nach Erbach war übrigens für das Bildwerk ein Segen geworden; es blieb dadurch
erhalten, während die übrigen gemalten Fenster bei dem Brandunglück zu Grunde
gingen. — Das Gemälde zeigt in allen seinen Theilen spätgothisches Gepräge.
i Auf drei, durch Pfosten mit Hohlkehlen und Plattstäben abgetheilten Feldern, die
von einem Spitzbogengiebel mit Dreipass und Fischblasen-Masswerk überragt sind,
I ist eine Kreuzigungsgruppe zur Darstellung gebracht. Die Figur des sterbenden
Hl Erlösers am Marterpfahl nimmt das mittlere Feld ein. Leider ist das von einem
Hl leuchtenden Kreuznimbus umstrahlte, mit grüner Dornenkrone bedeckte Haupt
| schwer beschädigt; alles Andere ist gut erhalten. Die Zeichnung des Körpers folgt
4 dem realistischen Schilderungston der Zeit, lässt jedoch im Anatomischen zu wünschen
el übrig. Die Karnation ist gleichmässig im Ton, das Lendentuch weiss und bewegt.
N Ein palmenartiger Isopstengel, das Symbol der Bitterkeit des Todes, wächst aus
der Umrahmung zum dürstenden Gottessohn empor. Ein weiss gekleideter Engel
mit violettem Mantel und grünen Schwingen erscheint am Kreuzesstamm und sammelt
in einem Kelche das aus den Fusswunden träufelnde Blut. Aus den Nebenfeldern
| schweben zwei andere, ähnlich gewandete Himmelsboten heran, um das Blut der
| Handwunden in goldenen Kelchen aufzufangen. Am Fuss des Kreuzes liegen
Schädel und Gebein als Sinnbilder des überwundenen Todes. In den seitlichen
| Abtheilungen des Fensters erscheinen Maria und Johannes mit breiten Nimben
um’s Haupt. Ein Zug tiefen Schmerzgefühles erfüllt das Antlitz der gebeugten
| Mutter. Die Rechte ist auf die Brust gelegt; die Linke fasst den weissen Mantel,
welcher über das dunkle Karmin-Untergewand in kräftigem Faltenwurf niederwallt.
Auch der Liebesjünger legt die rechte Hand auf die Brust; die Linke trägt das
N Evangelienbuch. In der Durchführung reicht jedoch diese Figur nicht an die
Madonna hinan. Die Züge des von reichem Lockenhaar umgebenen Antlitzes
| haben etwas Starres, Unlebendiges, die Füsse sind unschön und der über das
grüne Untergewand herabhängende tiefrothe Mantel bricht in erzwungenen Falten.
Unter den drei Abtheilungen der Gruppe sind wirkungsvolle Blumen-Medaillons
angebracht. Es fehlt aber auch nicht an manchen minder gelungenen neuen Nach-