Römerkastell
KREIS ERBACH
liegendem Graben nordwärts nach Miltenberg, worauf der Zug, als sogenannte nasse
Grenzwehr, dem linken Mainufer entlang, an Seligenstadt vorüber nach Klein-Krotzen-
burg folgt,*) hier vom rechten Mainufer nordwärts wiederum als Wall mit Graben
sich fortsetzt, in weiten Bogenstrecken Wetterau und Taunus durchzieht, und seinen
Lauf von annähernd 550 km unterhalb Rheinbrohl auf dem rechten Rheinufer beendet,
von wo ab aller Wahrscheinlichkeit nach nur der Rhein, auch hier als nasse Wehr,
die römische Reichsgrenze bis zum Occan gebildet haben wird.
Dem transrhenanischen Hauptzug des römischen Limes auf der Strecke von
Lorch an der Rems bis Wörth am Mäin entspricht nun westlich davon eine zweite
Grenzwehr, welche auf württembergischem Boden anfänglich durch das Remsthal
zieht und von Kannstatt ab dem rechten Ufer des Neckar folgt. Unterhalb Wimpfen
verlässt die Linie den Fluss und betritt das nordöstliche Gebiet von Baden. Bei
Hesselbach erreicht sie die Hessische Grenze, setzt sich auf der Hochebene zwischen
Mümling und Main in nicht immer gleichen Abständen fort und trifft nach kurzer Ost-
wendung wieder auf den Hauptzug des Limes jenseits der baierischen Grenze am
linken Mainufer bei Wörth. Diese Nebengrenzwehr führt auf ihrem 50 km betragenden
Zuge den Namen Neckar-Mümlinglinie. Insoweit sie das Grossherzogthum Hessen
durchzieht, heisst sie einfach Mümblnglinie und berührt auf dieser Strecke die Orte
Hesselbach, Würzberg, Euwlbach, Haınhaus (Heunhaus) der Vrelbrunn und die Ge-
markung von Zütgel-Wiebelsbach. — In der ganzen Ausdehnung der Mümlingwehr
sind keine fortlaufenden Wälle und Gräben bemerkbar wie stellenweise am Hauptlimes,
sondern die Linie ist hier nur durch mehr oder weniger von einander entfernte
Kastelle und Wachtthürme bezeichnet. »Die Wälle und Gräben in der Nähe des
Wehrzuges, welche früher den Römern zugeschrieben wurden, haben sich bei näherer
Betrachtung als kurze mittelalterliche Abschnitte, Landwehren und Wildhege ergeben«,
und das, was man »für Grabmäler und für Verbrennungsplätze ansah, waren in
Wirklichkeit Thurmreste und Hügel für Feuersignale.«< (A. v. Cohausen.) Die Ab-
stände der Kastelle und Wachtthürme richteten sich selbstverständlich nach der Boden-
beschaffenheit des Plateau’s und nach den die Wehrlinien des Grenzbollwerkes durch-
schneidenden Strassenzügen und sonstigen Verbindungswegen. Auch unter sich waren
diese Befestigungen durch eine wohlgebaute breite Heerstrasse verbunden, die noch
jetzt an verschiedenen Stellen in ursprünglicher Anlage zu Tage tritt und auf ihrem
Zuge mehrfach Römerstrasse, Steinstrasse, auch Hochstrasse heisst. — Ueber die
Bestimmung des römischen Hauptlimes und der Mümlinglinie herrschte früher die
Meinung, diese Werke seien von ausschliesslich militärischer Bedeutung gewesen.
Neuerdings spricht sich die rege Specialforschung dahin aus, dass bei diesen Anlagen,
ausser der Errichtung von Alarmirungs- und Vertheidigungslinien zum Schutz des
Dekumatenlandes gegen den Ansturm der germanischen Stämme, auch der Gedanke
eines wirksamen Mittels zur Erleichterung der Zollerhebung und der polizeilichen
Grenzaufsicht als massgebend zu betrachten sei.
Das Kastell zu Hesselbach liegt in nordöstlicher Richtung nahe beim Dorfe
und zeigt in seinem gegenwärtigen Ruinenbestand nur noch geringe Erhöhungen
*) Vergl. meine den Gegenstand berührenden Ausführungen über die beiden letzteren Orte, sowie über Gross-
Steinheim in der Abtheilung »Kreis Offenbach« der »Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen«,