160 KREIS ERBACH
damit belehnt hatte, soll auch Michelstadt an das Mainzer Erzstift gekommen sein.
Aber schon in der zweiten Hälfte des ı3. Jahrhunderts treten die Dynasten von
Erbach mit landesherrlicher Autorität in der Weise auf, dass die beiden jüngeren
Linien dieses Hauses, Erbach-Reichenberg-Fürstenau und Erbach - Reichenberg-
Michelstadt, den Ort und die dazu gehörigen Güter und Rechte in Gemeinschaft
besassen, jedoch administrativ in zwei Hälften getheilt. Möglicher Weise erfolgte
auch um diese Zeit die Abtrennung der Cent Erbach von der Cent Michelstadt,
die ihre Gerichtstage auf dem Lindenplatz abhielt, während das Halsgericht auf
der Heygern stattfand, ein jetzt verschollener Name, an dessen Stelle in der
Folge die Bezeichnung Galgenberg trat. — Seit der Katastrophe von 1307 war
die Stadt ihrer Wehranlage beraubt geblieben. Im Jahre 1395 unternahmen die
Häupter der beiden jüngeren Linien des Hauses Erbach, Eberhard der Jüngere
von Michelstadt und Konrad Rauch von Fürstenau, neue Wehrbauten, indem sie
den Ort mit Beringung, Mauer- und Thorthürmen umgaben, die übrigens lange
Zeit zur Fertigstellung und öftere Erneuerung erforderten. Durch wiederholte
Beisteuern zu diesem Festungsbau und durch Uebernahme der Verpflichtung zum
Wachtdienst an den Stadtthoren erkauften die Bürger ihre Befreiung von der
Leibeigenschalt. Noch im Jahre 1560 traf Georg I, behufs Ausbesserung der
Ringmauern und Wehrthürme, mit Schultheiss, Bürgermeister und Rath ein Ueber-
einkommen, wonach die Stadt dreihundert Gulden schwere Münz zu diesen Ar-
beiten beizutragen hatte, wogegen die Bürger von Besthaupt, Gutsfall und Zuggeld
ledig blieben, ein Abkommen, welches die Grafen Georg Albrecht und Georg
Ludwig um 1687 in den Grundzügen aufs neue bestätigten. Graf Georg I
war es auch, welcher der Stadt Michelstadt ihr Wappen verlieh: quergetheilter
Schild mit zwei gelben Sternen in blauem Felde oben und gelbem leerem Felde
unten. — Im Mittelalter waren zu Michelstadt alle Stände vertreten: Adel, Klerus,
Bürger, Hintersassen. In der Burg residirten als Mitglieder des hohen Adels die
landesherrlichen Schenken von Erbach. Vom niederen Adel nennen die Urkunden
des 14. Jahrhunderts als Burgmänner: die Duborn-Starkerad und ihre Nachfolger
von Rosenbach; ferner die Herren von Rodenstein, welche im 15. Jahrhundert
ein Haus als Burgsess erbauten. Ausserdem kommen vor: Die von Erlebach, von
Durne, von Rauch, die Synold von Reinheim, Schade von Altheim, von Habern,
Clinghart von Fockenrode, Echter von Mespelbrunn u. a. Die Geistlichkeit war in
vorreformatorischer Zeit durch einen Plebanus (Pfarrer) und vier Altaristen ver-
treten, deren Pastoration auch auf Schloss Fürstenau, Steinbach und Rehbach sich
erstreckte.*)
“ERR
PFARRKIRCHE
Die dem h. Erzengel Michael und dem h. Frankenapostel Kilian geweihte
spätgothische, jetzige evangelische Pfarrkirche ist das Ergebniss des wiederholten
Umbaues eines in den ältesten Zeiten der Christianisirung errichteten bescheidenen
*), Vergl. G. Simon, S. 62 u. ft.