MICHELSTADT 195
baren Steinplatten bestehen, die mit Akanthus-Rosetten verziert sind und im Stil
auf den Beginn des 17. Jahrhunderts deuten. — Aus der nämlichen Zeit hat sich
am Hause zu den drei Hasen ein schmiedeisernes Wirthsschild erhalten, dessen
Verfertiger sich darin gefiel, die Ohren der drei Kreaturen aus Lampe’s Geschlecht
in geschickter Gruppirung zu einem Dreieck zu vereinigen.
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Fig. 104. Michelstadt. Kellerlöcher, 17. Jahrhundert.
STADTBEFESTIGUNG
Michelstadt war ehedem ein für die Verhältnisse des Mittelalters wohlbefestigter
Ort. Die alte Beringung, deren Baugeschichte einleitungsweise in diesem Abschnitt
schon besprochen wurde (s. 0.8. 159 u.160), bestand aus einem doppelten Mauerzug
und einem tiefen, mit hinreichender Wasserfülle gespeisten doppelten Graben. Kein
Zweifel, dass die Stadtbefestigung mit der Herrenburg, jetzigen Kellerei, ein forti-
fikatorisches Ganzes bildete, worin der Burg die Bedeutung eines Kernwerkes zu-
kam. Im Osten der Stadt sind ansehnliche Ueberreste der alten Vertheidigungsanlage
erhalten geblieben, besonders an der Aussenseite, wo zwei Mauerthürme (Fig. 105)
aus dem Wehrring vorspringen, dessen Zugsrichtung bestreichen und den davorliegen-
den Doppelgraben und die Umwallung beherrschen. Im Laufe der Zeit haben
verschiedene Kleinbauten auf und hinter der Beringung sich angesiedelt und an
der Wucht des Mauerkernes Halt und Schutz gefunden. Einer der beiden Thürme
hat in letzter Zeit durch Bauveränderung das Fachwerk seines Obergeschosses ein-
gebüsst. — Eine dritte Thurmanlage im Stadtmauerzuge ist der dicht bei der
Kellerei gelegene, theilweise von einer schlichten Wohnhausgruppe umgebene Dzebs-
fhurm, so bezeichnet, weil das Bauwerk ehedem den Centen Erbach und Michel-
stadt als Kriminalgefängniss diente. Das Erdgeschoss ist im Inneren von einem
Klostergewölbe mit Versenköffnung überdeckt und hatte augenscheinlich die Bestim-
mung eines Verliesses, zumal auch der Zugang des Thurmes nicht an dessen Fuss,
sondern als sogenanntes Einsteigeloch in so beträchtlicher Höhe angebracht ist,
dass die Oeffnung nur mittelst Leitern zu erklimmen war. Das Verliess ist also
hier kein unterirdischer Raum, sondern ein Geschoss über der Erde. Im folgenden
Stockwerk haben sich die Tragsteine der früheren Holzeindeckung an den Hoch-
wänden erhalten. Der Oberbau des Thurmes ist theilweise zerstört und dachlos.
Ueber einer Mauerscharte auf der Nordseite sieht man eine etwa ı m 25 cm hohe,
13°
Wehrmauer
Mauerthürme
Diebsthurm
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