SCHÖLLENBACH 241
Ein gothisirender moderner Wandschrein enthält Zzurgische Gefässe aus Zinn,
darunter eine Hostienbüchse und eine Taufkanne nebst Schüssel. Die Spiralorna-
mentation der Gefässwandungen zeigt verklingende Formen des Rococo im Ueber-
gang zum sogen. Zopfstil. — Die schlichte Aanzel von 1783 ruht auf dem Rumpf
einer gothischen Arkadensäule des niedergelegten Langhauses. Der Schaft hat die
von der Spätgothik wieder aufgenommene Rundform; sein attisirendes Basament
besteht aus zwei schmalen Pfühlen mit dazwischen lagernder breiter Kehlung; da-
gegen ist der polygone Fuss wieder streng gothisch., — An der Nordwand sind
die historischen Daten des Bauwerkes auf einer Steintafel in folgender Fassung
kurz zusammengestellt :
ANNO DOMINI 1465 ERBAUTE SCHENK PHILIPP IV VON
ERBACH DIESE KIRCHE; SIE WURDE EINGEWEIHT DEN 38. SEP-
TEMBER 1465. AUS IHREM VERFALLE AUFGERICHTET, WURDE
SIE AM ıı. NOVEMBER 1783 DEM GOTTESDIENST ÜBERGEBEN.
IN DEN JAHREN 1863 —1865 NEU IM INNERN HERGERICHTET,
FEIERTE SIE AM 8. SEPTEMBER 1865 IHR 400 JÄHRIGES JUBILÄUM.
DESS ZUM GEDÄCHTNISS IST DIESE TAFEL HIER EINGEMAUDUERT.
Ps.20, 8.
Wie verschieden von der in der Inschrift erwähnten, zwar verdienstlichen,
aber immerhin bescheidenen Erneuerung aus den Jahren 1783 und 1865 muss die
künstlerische Pracht gewesen sein, welche den heiligen Raum im 15. Jahrhundert
schmückte? Anstatt der drückenden Flachdecke schloss eine hochragende luftige
Wölbung den Bau. Ueber der Altarmensa erhob sich ein grossartiger Flügelschrein,
prangend in reichster plastischer, malerischer und polychromer Ausstattung. Hören
wir auch darüber, ohne alle Umschreibung des Sinnes, die Worte von Dan. Schneider
aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts:
»Ein nach alter Art fchön und aus runden Figuren, theils in Sebens-Größe, theils auf
Bruft-Bilder-Weife gefchnitter Altar, die Geburts-Kinie unferes Heylandes Jeju vorftellende, tt
dahin, wie das daran fich findende Wappen ausweifet, von Schend Eberhard und Marien von
Wertheim verfchaffet worden; an deffen Thür-Flügel zeigen fich inwendig die vornehmfte ASufälle
der Jungfrauen Marien auch gefchnitt, auswendig ift fie mit dem Englifhen Gruß gemahlet, welches
dann befräftiget, daß folhe Lapelle hauptfächlich zur Ehre der Jungfrau Marien geftifftet worden
fey. Man hat ihn von Schellnbah, damit er nicht dafelbft weggenommen oder verderbet werden
möchte, weil er in feiner Maaffe ein rares Stüf und alles ftarf vergoldet ift, in die Begräbnif-
Kirhen nach Erbad gebracht, allwo er noch zu fehen ftehet.«
Der in gutem Zustand erhalten gebliebene Flügelaltar hat seit einigen Jahren
seinen Standort gewechselt und ziert jetzt in stilkundiger Erneuerung die St. Hubertus-
Schlosskapelle zu Erbach; auf Seite 62 u ff. dieser Schrift ist der kostbare Kunstschatz
ausführlich besprochen. — Denkt man sich das herrliche Schnitzwerk am ursprüng-
lichen Widmungsort unter der Chorwölbung aufgestellt, den Lichtgaden der sieben
Fenster mit strahlenden, farbenreichen Glasgemälden geschmückt, und nimmt man
alle sonstige Zier hinzu, woran es der bevorzugten Wallfahrtskirche nach der Sitte
der Zeit nicht gefehlt haben kann, so erhält man eine ungefähre Vorstellung von
der einstigen Pracht des Heiligthums und von der regen Kunstliebe seiner hohen
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Altargefässe,
Kanzel