STEINBACH U. EINHARD-BASILIRA 247
tragung der in dem neuen Gotteshause beigesetzten Heiligthümer erzählt, gab eine
Vision Veranlassung, die heiligen Gebeine schon zu Anfang des Jahres 827 nach
Seligenstadt zu bringen. Hier erbaute Einhard zu deren Aufnahme und im Bereich
seiner daselbst befindlichen, ebenfalls kraft der obenerwähnten Stiftungsurkunde
Ludwigs des Frommen ihm verliehenen Güter, eine zweite, grössere Basilika nebst
Kloster, verliess Michelstadt und beschloss am Orte der neuen Gründung sein Leben
am 18. März 840, nachdem Imma im Jahre 836 ihm im Tode vorausgegangen war.
Die sterblichen Ueberreste des glaubensinnigen Ehepaares wurden in der Seligen-
städter Basilika, wo noch jetzt die Ruhestätte gezeigt wird, in der ‚Nähe der
Heiligengruft begraben. *)
Von da an verschwand die Odenwald-Gründung über dritthalb Jahrhunderte
lang aus den Annalen der Geschichte. Auch mit ihrem Wiederaufleben als Kloster
Steinbach, wovon noch näher die Rede sein wird, wie nicht minder in den späteren
Jahrhunderten scheint kaum mehr eine nachhaltige Erinnerung an den Ursprung
der altehrwürdigen Stätte fortbestanden zu haben; wenigstens wurde von den Nach-
lebenden kein besonderer Werth auf die Erhaltung des Andenkens der Gründung
gelegt. Was Wunder, wenn diese Vergessenheit und Verschollenheit mit der Zeit
zur völligen Verdunkelung des wahren Thatbestandes führte und wenn in der Folge
und bis auf die Gegenwart die allgemeine Ansicht dahin ging, von Einhard’s Kirchen-
bau stehe kein Stein mehr auf dem anderen? Freilich, wenn seither die Forschung
sich damit begnügt hatte, den Ueberresten der Einhardgründung im Odenwald in
den Substruktionen der Pfarrkirche zu Michelstadt nachzugehen, so konnte sie aller-
dings die Behauptung von dem Mangel jeglicher Spur eines an dieser Stätte be-
standenen Einhard-Kirchenbaues aufstellen. Hier musste schlechterdings jede der-
artige Untersuchung ergebnisslos verlaufen. Es war nämlich von vornherein eine
irrige Voraussetzung, die Oertlichkeit der alten Stiftung an einer Stelle zu vermuthen,
die, im Mittelpunkt der Wohnplätze von Michelstadt gelegen, kaum zu den könig-
lichen Gütern gehörte, worauf Einhard seine Basilika errichtet hatte, ganz abgesehen
davon, dass Michelstadt damals schon ein angesehener Ort war und in Folge der
schon einhundert Jahre früher durchgeführten Christianisirung des Odenwaldes ohne
Zweifel eine eigene Parochialkirche bereits besass. Ob dieses Gotteshaus die kleine
Holzkirche (basılıca lıgnea modıca constructa) gewesen, von welcher die Schenk-
ungsurkunde Ludwigs des Frommen spricht, ob das Gebäude auf dem Grunde der
heutigen Pfarrkirche sich erhoben, was wahrscheinlich ist, mag dahingestellt bleiben.
Das aber ist sicher, dass die Einhardgründung nicht zur Parochialkirche bestimmt
war, denn der Stifter hatte die Absicht, sie mit Religiosen zu besetzen.- So mussten
unrichtige Voraussetzungen zu unrichtigen Schlüssen führen. Nicht innerhalb des
heutigen Michelstadt, sondern kaum ı km davon entfernt, in der Nähe des Gräflich
Erbachischen Schlosses Fürstenau und des daranstossenden, in der Ueberschrift
dieses Abschnittes genannten Marktfleckens Steinbach und zu dessen Gemarkung
gehörig, ist die alte Zinhardkirche zu suchen; dort erhebt sich in stiller Einsam-
*) Näheres über die Seligenstädter Einhard-Basilika und die darin’ befindliche Einhard-Grabstätte enthält die
1885 veröffentlichte, von mir verfasste erste Abtheilung dieses Werkes: Kunstdenkmäler des Kreises Offenbach,
Abschnitt XXXII, S. 169. — Ueber den älteren Einhard-Sarkophag im Schloss zu Erbach s. o. S. 55 u. 56.