Full text: Kreis Erbach (A, [2])

    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
   
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
   
    
ER —, 8 
  
  
STEINBACH U. EINHARD-BASILIKA 
Ein überaus merkwürdiger und zwar der besterhaltene Theil des ganzen Archti- 
tekturwerkes ist: die Ärypla. (Fig. 129.) Die Abmessungen, die struktiven Ver- 
hältnisse und die mannigfaltige Ausgestaltung dieser Unterkirche sind wahrhaft über- 
raschend. Denn der Gebäudetheil entspricht nicht nur, wie solches bei Krypten 
fast durchweg Richtschnur ist, der räumlichen Ausdehnung der OÖstparthie mit den 
Altarapsiden, sondern er erstreckt sich auch weiter unter dem Mittelschiff hin und 
ist, abweichend vom romanischen Kryptenbau, ohne Lichtöffnungen und so tief 
gelegt, dass keine Erhöhung des Fussbodens im Innenraum der Kirche erforderlich 
war. Durch ihre Verlängerung gen West erhielt die Unterkirche die Gestalt eines 
lateinischen Kreuzes. Was diese Plananlage besonders auffällig macht, ist der 
Umstand einer ganz ungewöhnlichen Behandlung und Ausgestaltung der vier Enden 
der Kreuzarme. Die beiden sich durchschneidenden Korridore laufen nämlich in 
kapellenartig erweiterte Räume aus, die theils an Oratorien, theils an Arkosolien 
in den römischen Katakomben gemahnen. An die Endpunkte der Ostseite des 
nördlichen, mittleren und südlichen Kreuzarmes legen sich drei, den Haupt- und 
Nebenapsiden der Oberkirche entsprechende Nischen mit rechtwinkligen, nach West 
gerichteten Vertiefungen an, so dass kleine Oratorien entstehen, während am Fusse 
des verlängerten Kreuzarmes, zu beiden Seiten des Korridors, je ein Arkosolium 
angeordnet ist. In dieser mannigfachen Gliederung trägt die Kryptenanlage deutlich 
das Gepräge eines Katakomben-Cömeteriums, und zwar einer confessio im früh- 
christlichen Sinn, also einer Oertlichkeit zur Aufstellung von Reliquien und Sarko- 
phagen. Der Eingang zur Unterkirche befindet sich gegenwärtig an der Schmalseite 
des südlichen Kreuzarmes; an dieser Stelle des zerstörten Nebenschiffes mag auch 
der ursprüngliche Kryptenzugang sich befunden haben. 
Bis auf die neueste Zeit galt die Steinbacher Kirchenruine in den weitesten 
Kreisen als eine Schöpfung romanischen Stiles, und als solche steht sie in Fach- 
schriften der letzten Jahrzehnte (u. a. in W. Lotz Kunsttopographie B. I, S. 486) 
verzeichnet. Schüchterne Andeutungen über die Möglichkeit des Zurückragens des 
Bauwerkes in die Karolingerzeit entbehrten jeglicher kritischen Beweiskraft und 
waren nicht im Stande, die Behauptung von dem vermeintlichen romanischen Ur- 
sprung zu erschüttern. Die Bestimmung der Ruine als Einhardbasilika aber war 
vor unseren Forschungsergebnissen noch von Niemand aufgestellt und überhaupt 
Einhards Name bis dahin in keinerlei Beziehung zu dem Gebäude gebracht worden. 
Am meisten scheint das obengenannte Portal, von welchem wenigstens Abbildungen 
sich erhalten haben, die in der That auf das einfach schöne, tiefgelaibte, säulen- 
gezierte und mit Tympanon versehene Portalschema des 12. Jahrhunderts hindeuten, *) 
zur Annahme des vermeintlich romanischen Ursprunges des Bauwerkes beigetragen 
zu haben. Allein, wirklich romanisch sind an der Steinbacher Klosterruine nur 
einige Veränderungen und Erweiterungen. Ob zu diesen späteren Hinzufügungen 
schon die über den Arkaden sich erhebenden Hochwände zu rechnen sind, mag 
wegen der Gestaltung der klein gelaibten Oeffnungen im Lichtgaden, die mit den 
Fenstern der karolingischen Hauptapsis entschieden übereinstimmen, dahingestellt 
*) S, die Abbildungen des seit 1810 spurlos verschwundenen Portales im handschriftlichen Rittersaal - Katalog 
zu Erbach und im Archiv des historischen Vereins für das Grossherzogthum Hessen, B. III, Heft 2, 1842. 
Krypta 
Stilverhältniss 
  
  
  
  
   
    
	        
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