Full text: Kreis Erbach (A, [2])

   
  
  
   
   
   
   
  
    
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
   
  
  
  
  
  
    
  
  
  
   
  
  
   
  
   
  
  
ri 
  
  
| Mauertechnik 
   
KREIS ERBACH 
  
254 
getrennt zu halten, dazu bedarf es gründlicher Specialkenntnisse auf dem Gebiet 
der stilistischen Besonderheiten und der plastisch-architektonischen Formensprache ; 
es bedarf hierzu wesentlich auch eines für die Eigenthümlichkeiten der historischen 
Bautechnik geschärften Auges. Grade für die Gruppe der karolingischen Baudenk- 
mäler kommen wichtige Unterscheidungsmerkmale in Betracht. Ein kurzes Eingehen 
auf diesen Umstand ist für die kunstwissenschaftliche Beurtheilung der Einhard- 
basilika gradezu zwingend. 
Vergleicht man die Baudenkmäler untereinander, die mit Verlässigkeit der 
Karolingerepoche angehören, so zeigen sich an ihnen zwei auffallend verschiedene 
Kunstweisen. Einmal liessen Karl der Grosse und seine unmittelbaren Nachfolger 
bei ihren Bauten absichtlich Architekturwerke der römischen und byzantinischen 
Zeit nachahmen. Zu Nieder-Ingelheim antikisirte im römischen Sinn die kaiserliche 
Prachthalle durch Anlehnung an das Vorbild der Verkehrs- und Gerichtsbasiliken 
Westrom’s; zu Aachen byzantinisirt im Sinn des oströmischen Centralbausystems 
die noch erhaltene Pfalzkapelle, das Münster, in Uebereinstimmung mit der Kirche 
San Vitale zu Ravenna; an dem Karolingerbau zu Lorsch zeigt sich eine Kombi- 
nation weströmischer und oströmischer Kunst in der Vereinigung römischer Einzel- 
formen an Säulen und Pilastern mit byzantinisirender Musivbehandlung der in 
weissen und rothen Farbentönen auftretenden Steinverkleidung an den Hochwänden 
der äusseren Langseiten. — Daneben bestand nun aber eine zweite Weise, wobei 
die karolingischen Baukünstler, ohne auf einfaches Nachahmen öder Kombiniren 
sich zu verlegen, die frühchristliche Basilikal-Architektur einfach beibehielten und 
fortsetzten. Das letztere Verfahren ist es, welches auch Einhard, sowohl bei Erbauung 
seiner Basilika im Odenwald, wie bei der etwas jüngeren Basilika zu Seligenstadt 
am Main, befolgt hat. Im Umfang der Uebung beider Kunstweisen ging jedoch 
die Behandlung des Mauerwerkes von einer und derselben Grundlage aus, d. h. die 
karolingische Mauertechnik folgte der römischen Eigenart, und diess war vornehm- 
lich der Fall hinsichtlich der Anfertigung des Baumateriales aus gebrannter Erde. 
Eine bekannte Thatsache — zu deren Hervorhebung in gegenwärtiger Schrift 
die Dekumatenruinen innerhalb des Kreises Erbach uns wiederholt Anlass dar- 
geboten — ist nun die grosse Sorgfalt, womit die Römer die Fabrikation der 
Ziegel oder Backsteine betrieben haben, sowohl in der Auswahl vortrefflicher Thon- 
erde als auch in Bezug auf den Grad des Brennens zur Erzielung der Härte des 
Materiales und seiner schönen rothen Farbe. Bei der Verwendung solcher Steine 
sind die Mörtelfugen meist ebenso stark wie die Werkstücke. Neben dem reinen 
Ziegelbau wechseln öfter einzelne Ziegelschichten mit Bruchsteinlagen ab, wodurch 
das römische Mauerwerk ein musivisches Aussehen erhielt. 
Alle diese Eigenthümlichkeiten der römischen Ziegelbautechnik kommen durch- 
weg an der Steinbacher Basilika*) als kennzeichnende Merkmale für die kunstge- 
schichtliche Stellung dieses Bauwerkes zur Vollerscheinung und zwar in einer um 
so überraschenderen Weise, weil nicht nur die Struktur der Arkadenpfeiler durch 
die Abwechslung der nach römischem Vorbild geformten und gebrannten Steine 
mit breiten Schichten feinkörnigen Mörtels davon Zeugniss gibt, sondern weil auch 
*) Vergl. die nämliche Erscheinung zu Seligenstadt im I. Theil dieses Werkes »Kreis Offenbach« S. 175 u. 176, 
  
  
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.