Full text: Kreis Erbach (A, [2])

  
VIELBRUNN 269 
Im Abstand von ı km westlich von Vielbrunn zieht die römische Grenzwehr 
Mümlinglinie vorüber *) und verbindet das Kastell Eulbach mit dem Äastell Hain- 
haus oder Heunhaus durch eine vermittelnde Kette von sieben Wachtstationen, 
deren Trümmerstätten aus je einem eingeebneten oder zerstörten Thurm und je 
einem Brandhügel bestehen. Das Kastell Hainhaus bei Vielbrunn kommt im 135. 
Jahrhundert unter dem Namen die Bentzenburg vor. Das Trümmerfeld bildet ein 
Quadrat von je 25 Schritt Seitenlänge. Der Flächenraum war nach allen Analogieen 
zur Aufnahme von zwei Kohorten Legionsinfanterie bemessen. Wie bei den meisten 
Kastralruinen im. Odenwald ist auch in den Ueberresten dieser Wehranlage keine 
Spur von Hochbau mehr vorhanden. Nur Grundmauern sind unter langgestreckten 
Bodenerhebungen erhalten, auf denen kräftige Buchen stehen, die ihre Wurzeln 
tief in die Fugen des Gemäuers treiben. Dadurch erscheint die alte Römersiedelung — 
deren Inneres eine grasbewachsene Fläche darstellt, auf welcher jetzt an Stelle des 
Prätoriums und Quästoriums etwas nach der Seite hin ein Fürstlich Löwensteinisches 
Forsthaus und eine Gruppe kleiner Jagdgebäude sich erheben — wie eine grosse 
Tafel, worauf der Grundriss des Kastells mit Baumreihen eingezeichnet ist, so dass das 
prüfende Auge zwar die Plananlage der Umfassungsmauern vor sich sieht, aber über den 
sonstigen Charakter des ehemaligen Wehrbaues keinen weiteren Aufschluss erhält. — 
Eine kurze Strecke nördlich vom Kastell lag ein aus drei Räumen bestehendes Gebäude, 
welches hinsichtlich seiner Anlage und Wärmeinrichtung in der technischen Anordnung 
von Hypokausten mit den S. 157 u. 158 beschriebenen Kastralannexen überein- 
stimmt. Nach der Örtschronik von Vielbrunn wurden im Hainhaus vor mehreren 
Jahrzehnten eine Anzahl Schleudersteine, eine Silbermünze des Septimius Severus 
und der Rumpf einer Ceresstätue von Sandstein ausgegraben. Der Cerestorso kam 
in den Eulbacher Schlossgarten. Die erstgenannten Funde sind verschollen, ebenso 
eines der in den römischen Ruinen des Odenwaldes häufig vorkommenden Werk- 
stücke aus gebranntem Thon mit dem Stempelzeichen der XXII. Legion. Diese 
zur Zeit Cäsars aus Galliern und gallischen Hilfsvölkern bestehende Legion hiess 
nach ihrem ersten Inhaber, König Dejotar, /egzo Deyotarıana. Unter Kaiser 
Augustus wurde sie nach Aegypten verlegt und betheiligte sich unter Titus an der 
Erstürmung und Zerstörung von Jerusalem. Nach kurzem Aufenthalt in Italien 
kam die Legion, die nun den Namen /egıo primigema pia Adels d. i. erstge- 
worbene fromme getreue Legion führte, im Jahre 87 nach Mainz, wo sie bis zum 
Niedergang der Römerherrschaft verblieb und zumeist die Besatzung der Mümling- 
kastelle aus ihr entnommen wurde. 
Auf der Bodenerhebung, die den östlichen Mauerzug des Hainhaus-Kastells 
birgt, stehen unter einer Baumgruppe sechs aus Buntsandstein-Monolithen gehauene 
Barocco-Lehnsessel mit volutenartigen Ausläufern an den Seitenwandungen, worin 
das bewusste Streben, antiker Norm zu folgen, deutlich sich ausspricht. Auf einem 
dieser SZermsıtze ist folgende Verbindung von Jahreszahl und Initialen eingemeisselt: 
*) S. in den Abschnitten XI u. XV dieser Abtheilung das Nähere über die Entstehungsgeschichte, den Zug 
und die Beschaffenheit dieser Wehrlinie. 
Römerkastell 
Hainhaus 
Steinsitze 
  
  
  
 
	        
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