Full text: Kreis Erbach (A, [2])

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gehören können, sind aber geneigt, das Letztere anzunehmen, da ausgesprochene 
l.inzelformen gothischer Frühzeit nirgends erkennbar sind. — Die einerseits nach 
dem Burghof, anderseits nach dem Zinnengang des Wehrgrabens sich öffnenden 
Fenster sind theils verbaut, theils in der Barockzeit umgeändert worden, so dass 
es der Beurtheilung auch hier an den erforderlichen Stilkriterien gebricht. An den 
äusseren Giebelseiten hat der Palas das gothische Gepräge bewahrt. Auffällig ist 
die daselbst in Wiederholung eingemeisselte Jahreszahl 1568. Mag nun dieselbe 
einzig und allein auf die Giebelung sich beziehen oder auch für andere Bautheile 
des Herrenhauses zu beanspruchen sein: jedenfalls ist sie ein vollgültiges Zeugniss 
für die Langlebigkeit der Gothik auf dem Breuberg. Das in Trümmern liegende 
Gebäude nebenan zeigt die nämlichen Formen. 
Die beiden Stiegenthürme nördlich vom Bergfried haben verschieden gestaltete 
l:ingönge; der eine schliesst im Dreipass, der andere in horizontalem Sturz mit 
geschmiegten Ecken. Daneben sieht man im Mauerwerk zwei Schiessscharten, die 
eine in senkrechter Richtung als sogen. Schlüsselscharte, die andere in wagerechter 
Lage als sogen. Maulscharte gestaltet. Beide Scharten gehören zu den wenigen 
Ueberresten des ehemaligen wehrhaften Zustandes der Innenseiten des nördlichen 
Baukomplexes, welcher im Laufe der Zeiten mannigfache Umgestaltungen erfahren 
hat und bis in die dreissiger Jahre des gegenwärtigen Jahrhunderts den herrschaft- 
lichen Beamten als Wohngebäude diente. Uebrigens haben sich, besonders im öst- 
lichen Flügel, beachtenswerthe ältere Architekturtheile erhalten. 
Zu ihnen gehört in erster Linie die Burgkaßelle. Das kleine Heiligthum 
liegt etwas versteckt, d. h. es wird von der Baugruppe, zu welcher es gehört, so 
eng umfangen, dass es ihm an einer Aussenarchitektur so gut wie ganz gebricht. 
Kein Wunder, wenn die in’s Mittelalter zurückreichende Kultusbestimmung des 
ohnediess bescheidenen Raumes lange Zeit aus dem Bewusstsein der Mehrzahl der 
Nachlebenden verschwunden war. Gleichwohl erscheint es befremdlich, dass ein 
so verdienstvoller Historiker wie G. Simon, in seiner 18558 veröffentlichten Ge- 
schichte des Hauses Erbach, von der Unserer Lieben Frau geweihten Burgkapelle 
3. 202 :8ägt.: 
»Zur Zeit des dreissigjährigen Krieges war sie noch vorhanden, denn Graf Gottfried von 
Erbach, der auf dem Breuberge im J. 1635 starb, wurde in derselben beigesetzt. Gegenwärtig 
ist sie jedoch nicht mehr da. Vermuthlich stanı sie in der Nähe des grossen Thurmes. Ein 
einfacher Saal in einem der Löwensteinischen Häuser auf dem Breuberge war von den zwanziger 
Jahren dieses Jahrhunderts an bis zur Vollendung der neuen katholischen Kirche zu Neustadt 
für die Katholiken der Umgegend zum Gottesdienste hergerichtet. « 
Der Geschichtschreiber Simon, ein Meister der Urkundensprache, scheint mit 
der Formensprache bildender Kunst nicht auf gleich vertrautem Fusse gestanden 
zu haben. Denn jener »einfache Saal« ist eben die alte Burgkapelle, deren spät- 
gothischer Ursprung mehrfache Bestätigung findet, namentlich durch das im Chor 
befindliche, an der Innenseite umgebaute und von einem Stichbogen überspannte, 
an der Aussenseite aber ziemlich gut erhaltene Spitzbogenfenster, und ferner durch 
die an der Westseite sich aufbauende steinerne Empore mit ihrer aus Dreipass- 
reihen bestehenden schmuckvollen, wenn auch etwas gedrückten Balustrade. (Fig::r2,) 
Auch die Altarmensa und eine daneben in die Chorwand eingelassene Sakraments- 
Burgkapelle 
 
	        
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