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weder die riesigen Abmessungen der Fronten mit ihren zwanzig Fenstern in jeder
Geschossreihe, noch die sonstige tektonische Beschaffenheit des Bauwerkes, dessen
Abtheilungen nur durch einen neueren Simszug zwischen den beiden unteren Stock-
werken unterbrochen werden, vermögen den Eindruck absoluter Monotonie zu mildern.
Auch die vor einigen Jahren hinzugefügte gemalte Architektur, aus Balustradenge-
bilden und volutenartigen Giebelungen unter und über den Fenstergewänden bestehend,
ist nicht im Stande, dem Gebäude zu einer wahrhaft monumentalen Wirkung zu
verhelfen.
Nimmt hiernach der jetzige Hauptbau des Schlosses ein hohes künstlerisches
Interesse nicht in Anspruch, so bieten dafür in seinen ausgedehnten Innenräumen
ausreichenden Ersatz
DIE GRÄFLICHEN SAMMLUNGEN,
mit Kunstschätzen, die an Schönheit und Seltenheit in unserem Lande nicht ihres
Gleichen haben und mit Recht eines weitverbreiteten Rufes sich erfreuen. Die
Gründung dieser Sammlungen gereicht Franz I (1754— 1823), dem letzten souveränen
Grafen von Erbach-Erbach, zu unvergänglichem Ruhm. Es kann nicht im Plane
dieser Publikation gelegen sein, jeden einzelnen Gegenstand des reichhaltigen Museums
zu nennen und zu beschreiben. Die Lösung einer solchen Aufgabe fällt in den
Rahmen eines auf kunstwissenschaftlicher Grundlage beruhenden, umfassenden Special-
kataloges, wofür in den Aufzeichnungen des Gräflichen Stifterss und des hochseligen
Grafen Franz Eberhard dankenswerthe, von dem jetzigen regierenden Grafen Georg
Albrecht I:rlaucht huldvoll uns zur Benützung überlassene, sorgfältig ausgearbeitete
und luxuriös ausgestattete Monographieen vorliegen. Daraufhin und mit Hilfe einer
Fülle von mündlichen Mittheilungen weiland Sr. Erlaucht des Grafen Ernst, f 3. Juli
1880, dessen unverdrossener Führung wir uns tagelang in den Sammlungen zu er-
fieuen hatten, sei der Versuch gewagt, aus dem Vielen das Auserlesenste und Beste
hervorzuheben und zu einem Ganzen zu vereinigen. Auch empfiehlt es sich bei
diesem Vorgehen, von einer streng systematischen Aufzählung des Gegenständlichen
nach den einzelnen Kunstzweigen geordnet im Ganzen abzusehen und eine, wenn
auch noch so gedrängte Auswahl nach dem Zusammenhang der Oertlichkeiten vor-
zunchmen, worin die Kunstschätze in malerischen Gruppen aufgestellt sind. —
Beginnen wir mit der im Erdgeschoss des Schlossbaues gelegenen Schlosskapelle und
betreten wir zunächst denjenigen abgesonderten Raum, welcher den Namen Einhard-
kapelle trägt.
Die Zinhardkapelle führt diese Bezeichnung nach einem daselbst aufbewahrten
Sarkophag (Fig.3 1), welcher ursprünglich die sterblichen Ueberreste Einhard’s, des
schon erwähnten Bauintendanten, Biographen und Freundes Karl’s des Grossen,
seiner Gemahlin Imma und einer Verwandten Gisla mit Namen, umschloss und
im Chor der Benediktiner-Abteikirche zu Seligenstadt a. M. beigesetzt war. Aus
Anlass des neunten Centenariums der von Einhard gegründeten Abtei liess i. J. 1722
der kunstliebende Abt Peter IV die ehrwürdigen Gebeine in einen monumentalen
Sarkophag von farbenprächtigem Marmor übertragen, worin -sie noch gegenwärtig
Kunstsamm-
lungen im Schloss
Werke des Kunst-
alterthums in der
Schlosskapelle u.
Einhardkapelle ;
Einhard-
Sarkophag