höfe durch das Bild des gekreuzigten Heilandes als Wahrzeichen der Erlösung beruht
auf unvordenklicher, in der älteren Kirchengemeinschaft noch heute heilig gehaltener
Sitte. Der fromme Brauch steigerte sich in der Aera des gothischen Kunststiles zu
figurenreichen Schöpfungen und erreichte um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts
seinen Höhepunkt in hochmonumentalen plastischen Kreuzigungsgruppen oder, wie
WIMPFEN A. B.
Fe
der volksthümliche Ausdruck lautet, in der Errichtung von Kalvarienbergen.
Der Wimpfener Kalvarienberg (Fig. 35) gehört —
das ist ungeachtet seines
trümmerhaften Zustandes noch immer erkennbar — zu den besten Leistungen dieser
Art aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts, und reiht sich den Meisterwerken der
gleichzeitigen verwandten Hervorbringungen der deutschen Bildhauerkunst ebenbürtig
an. Die plastischen Bestandtheile des Werkes bestehen aus vulkanischem Tuff, ein
Material, das in dieser Beschaffenheit — wie wissenschaftlich nachgewiesen — auf
dem weiten Erdenrund nur in der Eifel und zwar an den dem Laacher See benach-
barten Höhen in ansehnlichen Blöcken gebrochen wird.
Die Meinung, es handle sich
hier um eine künstlich zubereitete Steinmasse oder Thonkomposition, entbehrt der
Begründung. Vermöge seiner Weichheit ist das Laacher Gestein der skulpturalen
Bearbeitung sehr günstig, ein Umstand, welcher bei der Wimpfener Gruppe das
Herausmeisseln und Herausschneiden der Einzelgestalten sammt den Kreuzen aus
Tuffmonolithen erklärt, mit Ausnahme der unteren Theile der Kreuzstämme, die
in der Ausdehnung von den Füssen der Figuren bis hinab zu den Postamenten, und
wie diese selbst, in Sandstein aus den Heilbronner Brüchen gearbeitet sind.
Das Werk baut sich in einer Höhe von 6 m 25 cm als überlebensgrosse Gruppe
auf, worin der gekreuzigte Erlöser hochragend die Mitte einnimmt und die beiden
Schächerkreuze etwas tiefer an den Seiten stehen.
Christi liegt St. Maria Magdalena auf den Knieen.
rechter Haltung die trauernde Gottesmutter.
Am Stamm des Marterpfahles
Zur Rechten erscheint in auf-
Die ihr entsprechende Statue des Lieb-
lingsjüngers Johannes zur Linken ist verschwunden; nur ein Ueberrest des Basamentes
mit schwachen Draperiespuren erinnert an den ehemaligen Standort. Denkt sich der
Beschauer als ideale Ergänzung der vier verhandenen Figuren die fehlende fünfte
Statue hinzu, so empfängt er den Eindruck
eines in edlen Verhältnissen sich
aufbauenden harmonischen Ganzen voll Kraft und Würde. Die Einzelfiguren be-
friedigen in hohem Grade durch Grossheit des Stiles, Ebenmaass, ausgeprägte Charak-
teristik und technische Meisselfertigkeit.
Alles Interesse nimmt die Christusgestalt in Anspruch, welche ein tiefes Leiden
in ergreifender Weise darstellt. Offenbar schwebte dem Künstler in der Auffassung
seines Gegenstandes die Schriftstelle vor: »Consumaltum est, et inchnato capite
tradidit spiritum.«
Es ıst vollbracht, und er neigte sein Haupt und gab den Geist
auf.< — Das Gefühl der Ergebung webt in dem schmerzerfüllten würdevollen Antlitz.
Unter der Dornenkrone wallt das Haar in reichen Locken herab.
Das Lendentuch
umgürtet den Leib in dichten Falten und seine Enden sind leise vom Winde bewegt.
Am Saum des Tuches läuft in Reliefmajuskeln die Inschrift hin: »ERO - MORS: TVA.-
O : MORS - MORSVS- TVVS. ERO - IN(FER)NE : OSEE - XII -<
Deutsch: »O Tod,
ich will dein Tod sein, Hölle, ich will dein Biss sein,; Osee, Cap. XIII. Vers 14.«
Ein sichtliches und erfolgreiches Streben nach anatomischer Richtigkeit des Knochen-