Kaiserbau
jetzt Pfarrhof
128 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
Papst, Kaiser und deren zahlreiches Gefolge von geistlichen und weltlichen Würden-
trägern aus, in Nachahmung der schon im frühen Mittelalter entstandenen, beliebten
Darstellung als malter misericordiae, d.i. Mutter der Barmherzigkeit, ein Gruppen-
motiv, das auch Hans Holbein d.J. in seinem Meisterwerk, der berühmten Darmstädter
Madonna im Besitz Seiner Königlichen Hoheit des Grossherzogs von Hessen, zur
Anwendung gebracht hat, indem er die "amilie des Bürgermeisters Meyer von Basel
unter dem schützenden Mantel der Madonna vereinigte.
Auch in diesem Obergeschoss sind die Mönchszellen theilweise im ursprüng-
lichen Bestand erhalten. Zwei Zellen besitzen noch den alten Bodenbelag, bestehend
aus einem Estrich von abgeschliffenem, durch Kalkguss verbundenem, zerkleinertem
Ziegelgestein.
Das südöstliche Eckzimmer nebst Schlafkabinet war die modernisirte Wohnung
des letzten Priors. Die Eindeckung besteht aus einem Spiegelgewölbe mit geglie-
dertem Rund als Mittelverzierung. Der Fussboden zeigt Lagen von quadrirten hellen
Fichtentafeln und dunkeln Einfassungen aus Eichenholz. Im Seitenkabinet trägt der
Stichbogen des Thürsturzes die verschlungenen lateinischen Majuskeln S. OÖ. C. H.
Die schlichte Formgebung der Thürfüllungen, Sockelvertäfelungen und eines Fenster
sitzes deutet auf die stilarme Zeit kurz vor der Säkularisation. Die ehemaligen
Wirthschaftsräume des Klosters sind gänzlich verwahrlost und bieten überhaupt
keinen ‘Anlass zu kunstgeschichtlicher Betrachtung, geschweige denn zu küntlerischer
W erthschätzung.
Oestlich vom Konventsgebäude und ursprünglich durch eine Steingallerie damit
verbunden, erhebt sich der von Höfen und Gartenanlagen umgebene alte Kaiser-
bau, jetzt Pfarrhof der katholischen Gemeinde. Das Gebäude war Eigenthum des
Klosters und diente zur gastlichen Aufnahme vornehmer Besucher. In der Kloster-
chronik wird es unter der Benennung domus caesarea, auch unter der Bezeichnung
aedificium caesareum, d. i. Kaiserhaus, öfter erwähnt. Augenscheinlich erhielt das
Zauwerk diese Namen zur Erinnerung an den Aufenthalt deutscher Kaiser bei den
Dominikanern. Aus den Konventsaufzeichnungen erhellt in der That, dass die Kaiser
Heinrich V, Heinrich VI, Karl V und Ferdinand I vorübergehend im Kaiserbau
Wohnung genommen. Ferdinand I übernachtete wiederholt daselbst und spendete
bei diesen Anlässen Geldgeschenke zum Besten der Chorausstattung und der Er-
neuerung des Dachwerkes der Klosterkirche.
Die Bauveränderungen des Jahres 1822, welche den Kaiserbau in eine Pfarr
wohnung umschufen, beraubten das Aeussere des Gebäudes seines gothischen Cha;
rakters ganz und gar. Die Thür- und Fensterarchitektur wurde sammt der Stein-
gallerie beseitigt und alles Alte bis zur Unkenntlichkeit hübsch neu gestaltet im
Sinne der damals auf dem Gefrierpunkte angelangten kunstlosen Bautechnik. Seitdem
steht das altehrwürdige aedificium caesareum da, schmuckarm bis zur Nüchternheit
und Kahlheit. Nur im Innenbau haben sich einige wenige Spuren mittelaltriger Aus-
stattung erhalten, die der Erwähnung werth sind.
In einem Gemache des Obergeschosses treten aus einer Erkernische zwei recht-
eckige, abgeschrägte Konsolen hervor, mit 20 cm hohem, spätgothischem Nischenwerk,
männliche und eine weibliche Büste stehen. Die männliche Büste zeigt
worin eine
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