140 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
Abaken der Kapitäle lagern mächtige Kämpfer, die an ihren Vorsprüngen mit
wuchtiger Kehlung und derben Wülsten ausladen. Darüber folgen unter Plattenver-
mittelung die mit glatt behauenen Werkstücken gesäumten Rundbogenschwingungen.
(Vergl. 65, Fig. 66 u. Fig. 67.)
Die reiche Ausgestaltung des Palatiallichtgadens bietet willkommenen Anlass,
den bereits flüchtig angedeuteten Nachweis zu bringen, dass Kunstformen wohl
geeignet sind, die zur Feststellung des Zeitverhältnisses der Denkmäler früherer
Epochen mangelnde schriftliche Ueberlieferung zu ersetzen und die Steine reden zu
lassen, wo die archivalischen Dokumente schweigen.
An den Palasarkaden sind die Formen des romanischen Stiles mit dem gleichen
vollen Verständniss behandelt, wie an zahlreichen urkundlich beglaubigten Bauwerken
aus der Wende des 12. und 13. Jahrhunderts. Und diess nicht allein. Der romantisch
bewegte Geist, welcher zur Hohenstaufenzeit die Gemüther ergriffen und in der Aera
der Kreuzzüge durch Einwirkungen des Orientes sich gesteigert hatte, liess auch die
romanische Baukunst nicht unberührt, so dass Formen byzantinischen wie islamitischen
Ursprunges vom Abendland willig aufgenommen und in freier Nachahmung vernützt
wurden, vornehmlich auf dem Gebiet der Palatialarchitektur. Unter diesem Gesicht-
punkt erklärt sich unschwer in der Arkatur des Wimpfener Palas die Erscheinung,
dass neben Bildungen streng romanischen Stiles, wie solche in den gedrungenen
Säulen und kraftvollen Würfelkapitälen herrschen, auch zierliche Gebilde auftreten,
wie in der spiralförmig gewundenen Gestaltung des Stammes und in der aus einer
Mehrheit von dünnen Säulen bestehenden, in der Mitte zu einem Knoten verschlungenen
Form des Bündelschaftes. Zu diesem phantastischen Wesen islamitischer Kunst
gesellt sich das ebenfalls orientalisirende Geriemsel an den Wangen der Kapitäle,
sowie der schwere byzantinische Kämpfer über den Würfelknäufen als Vermittler
der Arkatur. Eine Nachwirkung der zur Zeit der Kreuzzüge, insbesondere in der
Hauptstadt am goldenen Horn sowie in syrischen und palästinensischen Städten
gewonnenen Anschauungen lässt sich in diesen neuen Formmotiven nicht verkennen,
mögen immerhin die orientalischen Typen vom abendländischen Geist zu kräftigeren
Formen und Verhältnissen umgeschaffen worden sein. Ganz abgesehen von ver-
wandten orientalisirenden Merkmalen am Barbarossapalast zu Gelnhausen um nur
diess eine, weil nahe gelegene Beispiel zu nennen ein Bauwerk zudem, das
urkundlich vor dem Ableben Friedrichs I vollendet war, tragen die erläuterten
Palasformen das Gepräge ihrer Zeitstellung zu deutlich an der Stirne, um nicht die
Behauptung gerechtfertigt erscheinen zu lassen, dass die Gründung der Wimpfener
Kaiserpfalz spätestens am Lebensabend des Kaisers Barbarossa, ihre Vollendung
aber unter Kaiser Friedrich II stattgefunden hat, dass also das Palatium mit grösster
Wahrscheinlichkeit in der Zeit zwischen den letzten Jahrzehnten des 12. und den
ersten Dezennien des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Saxa loguuntur !
Der streckenweise gothisirende Hohlkehlensims, welcher oberhalb der Arkatur
des Palas den Hochwandtorso abdeckt, ist zum Theil eine wohlgemeinte schützende
Neuerung des gegenwärtigen Jahrhunderts. Ob darüber noch ein weiteres Geschoss
folgte, wie u. a. theilweise zu Gelnhausen und an der Wartburg, lässt der vorhandene
Thatbestand nicht erkennen. Der kunstlose Fachwerkgiebel eines der Wohnhäuser,
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