154 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
Zahlreiche Beispiele, vornehmlich in der angrenzenden schwäbischen Bauzone, be-
zeugen vielmehr die stete Fortdauer dieser Werktechnik. In der Folge kam die
Verkleidung der Mauerflächen mit Buckelquadern durch die Renaissance — unter dem
Namen Rustika und Bossage — aufs neue zu lebhaft gesteigerter Geltung. Auch
die Architektur des 19. Jahrhunderts, die in so manchem Betracht als eine erneuerte
Renaissance der historischen Renaissance anzusehen ist, hat das Rustika- oder Bos-
sagenwerk wieder in eifrige Pflege genommen und verwendet es im Sinn der Alten
namentlich an Sockeln, Ecklisenen, mitunter auch an vollen Flächen der Erdgeschosse
monumentaler Hochbauten.
Der Grundriss des rothen Thurmes bildet ein Quadrat von je 10 m Seitenlänge.
Am Unterbau beträgt die Mauerstärke 2,70 m. Das Gebäude, welches im Jahre 1645
dem Schicksal einer Beschiessung durch
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die Franzosen ausgesetzt gewesen sein soll,
gibt das Bild einer monumentalen Ruine,
deren Höhe immer noch 23 m beträgt. Die
Mauertechnik, die in den unteren Partieen
von bemerkenswerther Sorgfalt und Ge-
diegenheit ist, zeigt drei charakteristische
Baustadien, die besonders an der Nord-
und Westseite, minder an den gleichmäs-
sigeren beiden anderen Thurmseiten, zur
Vollerscheinung kommen. Das Frühstadium
wird durch die bereits erwähnten, ehedem
für römisch gehaltenen Rustika- oder Bos-
senquadern aus Keupersandstein vertreten,
deren kräftige Buckelung die Schlagränder
um 20 cm überragt. Das mittlere Bausta-
dium macht sich durch mehrere, nach Läu-
Fig. 77. Wimpfen a. B. Kaiserpfalz. fern und Bindern wohlgeordnete Schichten
Rother Thurm. Eingang und Buckelquadern wuchtiger Tuffsteinwerkstücke bemerkbar.
RER, IRULSRIGERERN, An diesem älteren Mauertheil schauen ein-
zelne Balkenstrunke aus Auflageröffnungen hervor und lassen die ehemalige An-
fügung eines vorgestreckten Balkons, sogen. Trompeterganges, vermuthen. Dem
dritten Baustadium gehört der aus Bruchsteinen gefügte Oberbau an, der die
quadratische Grundanlage des Thurmes durch Abschrägung der Ecken ins Oktogon
überleitet und zum Wahrzeichen der erlittenen Zerstörung als Torso in die Lüfte starrt.*)
Die Thüre, die zu ebener Erde den Sockel des Bergfrieds durchbricht und in
dessen Innenraum führt, ist eine Neuerung aus den vierziger Jahren. Der ursprüng-
liche Thurmeingang (Fig. 77) über einer Lagerung von Buckelquadern mit Balken-
löchern befindet sich, in Uebereinstimmung mit sämmtlichen ähnlichen mittelaltrigen
Wehrbauten, nicht am Fusse des Bergfrieds, sondern aus Vertheidigungsgründen in
einer Höhe von 7 m über dem Fussboden, so dass der Aufstieg in den Thurm nur
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) Neuere Ausbesserungen haben der Abbröckelung des Steinwerks Einhalt gethan.
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