Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

    
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
  
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WIMPFEN I. TH. 203 
den Seiten der beiden Thürme treten aus den östlichen Flügeln des breit ausladenden 
Transsepts Kapellen hervor, mit kleinen Chören von ähnlicher Polygongestaltung 
wie der in der Flucht des Hochschiffes liegende grosse Hauptchor. Das Langhaus 
ist dreischiffig; an seiner Westfronte schliesst ein zweites Thurmpaar mit gegiebeltem 
Zwischenbau das Gebäude fassadenmässig ab. An die Nordseite der Kirche lehnt 
sich ein Kreuzgang, nebst Kapitelsaal und Archiv als Nebenbauten. 
Was an der Plananlage befremdet, liegt in dem Umstand, dass kaum eine Ab- 
theilung rechtwinklig ist. Die Axen der Haupträume stehen schief zu einander und 
bilden mehr oder weniger verschobene Vierecke. Chor und Querschiff zeigen starke 
Abweichungen nach Süd. Ob die unsymmetrische, disharmonische Anlage durch den 
Grundplan des früheren, vorgothischen Gotteshauses, ob durch umliegende Gebäude 
oder durch besondere Geschmacksrichtung bedingt war? Wir wissen es nicht. Die 
Erscheinung steht übrigens nicht vereinzelt da. Auch an anderen Sakralbauten, 
zumal in der mittelrheinischen, schwäbischen und fränkischen Nachbarschaft — wie 
beispielsweise an den Stiftskirchen zu Aschaffenburg, Kaiserslautern, Stuttgart und 
an den Pfarrkirchen zu Schwäbisch-Hall, Rottenburg — liegen die Chöre nicht in der 
Axe des Langhauses. Die Pfeilerabstände sind bei allen diesen Kirchen ungleich. 
Sogar am Kölner Dom kommen derartige Abweichungen vor, so dass es scheint, als 
habe die mittelaltrige Kirchenbaukunst, in Uebereinstimmung mit der Antike, die 
am Tempelbau die Innenneigung der Säulen und die Kurvatur des Gebälkes zuge- 
lassen, keineswegs ein für allemal an die starren Linien des Richtscheites und der 
Setzwage sich gebunden erachtet. 
Hinsichtlich der vorgothischen Baugeschichte der Stiftskirche fehlt es, wie 
überhaupt für die Frühzeit der Gründung, ganz und gar an verbrieften Nachrichten. 
Um so reicher fliesst eine Schriftquelle aus den letzten Jahrzehnten des 13. Jahr- 
hunderts. Dieselbe bezieht sich auf den Dechanten Richard von Ditensheim 
(+ 1278), welcher, gleichzeitig mit der oben erwähnten Erneuerung des in Verfall ge- 
rathenen Stiftes, die Errichtung eines Gotteshauses nach gothischen Gesetzen in der 
Gestalt begann, wie das Bauwerk — von der romanischen Westfront selbstverständ- 
lich abgesehen — auf dem freien, mit Linden- und Kastanienbäumen von hohem Alter 
bestandenen Platze, unweit des Unterthores von Thal-Wimpfen, noch heute vor den 
Augen der Nachwelt sich erhebt. 
Der wiederholt citirte Chronist Burchardus de Hallis, zweiter Nachfolger des 
Richard von Ditensheim in der Dechantenwürde seit 1289 (nach Anderen seit 1296) 
und gestorben 1300, berichtet in seinem Chronicon Ecclesiae Wimpinensis, das der 
Wormser Geschichtschreiber J. F. Schannat in dem 1723 zu Fulda und Leipzig er- 
schienen Werke Vindemiae literariae, collectio secunda, pag. 57—61l veröffentlicht 
hat, wörtlich Folgendes: 
».... Richardus, de villa Ditensheim trans Renum .... Oriundus, .... Monas- 
terium*) a Reverendo Patre Crudolfo praefato constructum, prae nimia vetustate 
ruinosum, ita ut jam in proximo Ruinam minari pularetur, diruit accıtoque, 
*) Monasterium heisst hier nicht Kloster, sondern Münsterkirche, wesshalb wir uns mitunter 
dieses Ausdruckes bedienen. 
Baugeschicht- 
liches 
  
  
  
 
	        
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