204 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
peritissimo Architectoriae artis Latomo, qui tunc noviter de villa Parisiensi e
partibus venerat Franciae, opere Francigeno Basilicam ex sechs Lapidibus con-
strui jubet: idem vero artifex mirabilis Architecturae Bastlicam vconis sanciorum
intus & exterius ornalissime distinctam, Fenestras & Columnas ad instar anaglici
(£. e. anaglyptici) operis multo sudore & sumptuosis fecerat expensis, Sicut usque
hodie in praesens humano Visui apparet: Populis itaque undique advenientibus,
mirantur tam opus egregium, Laudant artificom, venerantur DEI servum Ri-
chardum, zaudent se eum vidisse, nomenque ejus Longe Lateque portatur, & a
quibus non agnoscitur saepius nominatur.«
Zu deutsch: »Das von unserem vorgenannten ehrwürdigen Vater Krudolf er-
baute Münster, welches vor übergrossem Alter baufällig war, so dass dessen Einsturz
schon in nächster Zukunft zu erwarten stand, brach der von dem überrheinischen
Orte Ditensheim gebürtige Richard ab, und nachdem er einen in der Baukunst wohl-
erfahrenen Steinmetzen berufen hatte, der neuerlich von der Stadt Paris aus der Gegend
von Franzien gekommen war, befahl er, eine Basilika in nach französischer Werkart
| geschnittenen Steinen zu errichten; ebendieser Künstler aber hat den wundersamen
jl Bau der Basilika, die innen und aussen mit Heiligenbildern überaus zierlich ge-
schmückt ist, sowie Fenster und ausgemeisseltes Säulenwerk mit vielem Schweisse
| und beträchtlichem Kostenaufwand in der Weise geschaffen, wie der Bau dem Ge-
sichte der Menschen bis zur Gegenwart erscheint. Daher wird das ausgezeichnete
Werk von der allseitig herbeikommenden Volksmenge bewundert; man lobt den
Künstler, verehrt den Diener Gottes Richard, freut sich ihn gesehen zu haben und
trägt weithin seinen Namen, der oftmals auch von Denjenigen genannt wird, die seine
Person nicht kennen.«
Das Verdienst, den Werth dieser Urkunde für die Wimpfener Stiftskirche im
Thal erkannt und die in J. F. Schannat’s » Vindemiae literariae« befindliche, über
ein Jahrhundert lang unbeachtet gebliebene Nachricht im ersten Jahrgang der vom
Grossherzoglichen Galleriedirektor Dr. F. H. Müller herausgegebenen »Beiträge zur
teutschen Kunst- und Geschichtskunde, Darmstadt 1832« veröffentlicht zu haben, ge-
bührt dem Historiographen J. C. Dahl, Grossherzoglicher Schulkommissär und katho-
lischer Pfarrer zu Darmstadt, + 1833 als Domkapitular zu Mainz. Die Publikation
erregte in kunstwissenschaftlichen Kreisen Aufmerksamkeit. Wie es aber in solchen
Dingen zu geschehen pflegt, wurde der Bericht des Burchardus de Hallis von Man-
chen insofern überschätzt, als durch unrichtige Auffassung einzelner Stellen der Ur-
kunde dem Einfluss der französischen Gothik auf die Entwickelung der deutschen
Gothik eine übergrosse Bedeutsamkeit zugeschrieben wurde, was mitunter noch heute
geschieht.
' Eine richtige Folgerung hat J. C. Dahl augenscheinlich selbst aus dem Inhalt
der Urkunde gezogen, indem er den auf die Person des Architekten bezüglichen
Worten »gui tunc noviter de villa Parisiensi e partibus venerat Franciae opere
francigeno etc.« die Fussnote anfügt: » Kin offenbarer Beweis, dass man auch im
Mittelalter schon Werth auf das Reisen der Künstler in’s Ausland legte.« Dagegen
gingen und gehen diejenigen entschieden zu weit, welche den Ausdruck opus franci
genum dahin erläutern: »Diess sei ein wichtiges Zeugniss dafür, dass die That-
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