Portalbaldachine
228 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
Die dem latomus gebührende Autorschaft des Fassadenschmuckes findet übri-
gens an der Schauseite selbst eine ganz eigenartige, unseres Wissens einzig dastehende
Unterstützung durch folgenden Thatbestand. Die Balda chine der sieben grossen
Portalstatuen zeigen nämlich, anstatt der allgemein geb -äuchlichen einfachen Fialen-
bekrönung, meisselfertig ausgearbeitete tektonische Gruppen, die bisher bald als
Stadtmauern, bald als niedrige, festungsartige Aufbauten und Städte im Kleinen
erklärt wurden. Sie sind es nicht. Die ungewöhnlichen Ausgestaltungen der Statuenbal-
dachine geben sich viel-
mehr in grösster Deut-
lichkeit als Absidialkon-
struktionen komplicirter
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Choranlagen mit Um-
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gangundKapellenkranz
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zu erkennen, wie solche
um jene Zeit in der fran-
zösischen Gothik zur
vollen Ausbildung ge-
langt waren.*) Einige
reich ausgestattete Bal-
dachine (wovon ein Bei-
spiel in Fig. 128) lassen
darüber keinen Zweifel,
dass der vielgereiste
Künstler bestrebt war,
ander Handseinerinden
französischen 3auhüt-
ten gesammelten Skiz-
zen zu zeigen, was er
in der Fremde geschaut
KEN u 23 SER | und der Aufzeichnung
Ü 0 10 20 30CM. werth erachtet hatte.
Fig. 128. Wimpfen im Thal. Ritterstiftskirche St. Peter.
as 2 F Zu Wimpfen blieben je-
Entwickelter Statuen-Baldachin am Südportal. ;
doch seine Absidialstu-
dien auf dekorative Verwendung in Form von kleinen Modellen eingeschränkt.
Die Struktur des Bauwerkes blieb davon unberührt, sei es dass die Ostpartie
der Münsterkirche bereits den der heimischen Stilobservanz huldigenden beiden
baukundigen Stiftsangehörigen sacerdos Cunradus lapicida und Burchardus lapı-
cida (s. o. S. 206) übertragen, oder der einfachere deutsche Chorschluss von Seiten
des Bauherrn Richard von Ditensheim bevorzugt worden war. Schlichter gestaltete
Baldachine, insbesondere derjenige über der Madonnenstatue (Fig. 129), legen die
*) 'Thurmartig aufgegipfelte Figurenbaldachine kommen in der deutschen Kirchenbaukunst an
manchen Werken des Uebergangstiles vor, u. a. in starker Ausprägung an den Portalstatuen der
Ostseite des Domes zu Bamberg.