WIMPFEN 1. TH. 237
lich den typologischen Bilderhandschriften des Mittelalters eigenthümlich sind und Il
auch mehrfach durch die Plastik an Kirchenportalen hochkünstlerischen Ausdruck |
gefunden haben. |
Die neun Rundbilder aus dem alten Bunde zeigen in der ersten Reihe: Noah I
aus der Arche schauend und die verheissungsvolle Taube erblickend, Moses vor dem |
brennenden Dornbusch und die Aufrichtung der ehernen Schlange in der Wüste; in
der zweiten Reihe: König David als Vorbild des Einzugs Christi in Jerusalem, Simson j
mit der Tempelsäule und Gideon mit dem thaubenetzten Vliess; in der dritten Reihe: (II
eine Symbolisirung der h. Taufe, das Lamm als Sinnbild des Opfertodes Jesu und den |
weisen Salomo als Vorläufer des Weltrichters. — In den neun Rundbildern aus dem |
neuen Bunde sieht man in der ersten Reihe die Anbetung der hh. drei Könige, |
Simeon das Jesuskind im Tempel erblickend, und die Taufe im Jordan; die zweite |
Reihe umfasst den Einzug Christi in Jerusalem, den Verrath des Judas und Jesus vor I
dent König Herodes; die dritte Reihe enthält als weitere Passionsscenen die Geisse- Il
lung und die Kreuzigung in den beiden oberen Medaillons, während im untersten
Rundbild ein Löwe mit offenem Rachen vor seinen beiden Jungen erscheint, über die
er seinen Hauch in vollem Strom ausgiesst. Die Symbolik bringt diese Darstellung
mit der Auferstehung Christi in Verbindung, im Anschluss an die Erzählung, dass
der Löwe seine Jungen, welche die Löwin todt zur Welt bringe, am dritten Tage
nach der Geburt durch seinen Athem zum Leben erwecke. Auch sonst gilt der
Löwe als Symbol des Erlösers, insbesondere nach der Genesis und der Apokalypse
als Löwe vom Stamm Juda, wohl zu unterscheiden vom Symbol des brüllenden Löwen,
der als Prinzip des Bösen vom Messias unter die Füsse getreten wird. Die Bedeu-
tung des Löwen als König der Fauna auf der in Rede stehenden Glastafel ist jeden-
falls eine ber bemerkenswerthesten Erscheinungen im ganzen Bereich der alten
Thiersymbolik.
Die dargestellten Vorgänge bestehen theils aus einfachen, theils aus figuren-
reichen Gruppenbildern, die mit anerkennenswerthem Geschick in die verhältniss-
mässig kleinen Medaillons von nur 45 cm Durchmesser hineinkomponirt sind. Gleich
der Figurenanzahl ist auch die Auffassung des Gegenständlichen mitunter sehr ver-
schieden, wie beispielsweise auf dem vier Felder reproduzirenden polychromen Blatt |
(Fig. 137) die naive Darstellung der Jordantaufe einerseits und anderseits die drama-
tische Wiedergabe des Judasverraths erkennen lassen. — Die heiligen Personen |
tragen durchweg die ideale Gewandung des faltenreichen Mantels; es kommen aber
auch realistische, dem unmittelbaren Leben entnommene Kostümmotive vor, darunter
der mittelaltrige spitze Judenhut bei Schergen und Peinigern. Als verzierendes
Schöne tritt ‚hinzu, dass die Medaillons der neutestamentlichen Folge und ihre
Zwischenräume von edelgeschwungenen vegetabilischen Ornamenten umrankt sind,
wobei grünes Gezweige und buntes Kpheu- und Ahornlaub die Hauptrolle spielen
und von tiefrothem Grund sich abheben. Auf den Tafeln der alttestamentlichen
Bilderfolge erfüllen lineare Motive in Form von bunten Quadrirungen diesen Zweck.
Auch die Scheibe des symbolischen Löwen, die wohl einem anderen als dem neu-
testamentlichen Cyklus entstammen mag, zeigt solche lineare Ornamente als Unter-
grund. Etwaige moderne Laienbedenken, hervorgerufen durch die starke Umriss-