Nördliche
Sakristei
Madonnen-
statue
Westfassade
268 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
leuchtern der oben beschriebenen Art enthält die ehemalige Schatzkammer, die jetzt
das Bild einer Rumpelkammer gewährt, nur trümmerhaftes Barockholzwerk, das
keinerlei Anlass zur Besprechung darbietet.
Eingang, Thürklopfer und Inneres der nördlichen Sakristei stimmen mit
der Südsakristei im allgemeinen überein; nur ist damit kein Zither verbunden. Die
Räumlichkeit bewahrt einige holzplastische Arbeiten von zweidrittel Lebensgrösse, da-
runter eine jugendliche Madonnenstatue von frän-
kischem Schultypus (Fig. 163), mit lieblichem Gesichts-
ausdruck, niederwallender Lockenfülle und faltenrei-
chem Mantel, dessen brüchige Modellirung schon allein
hinreicht, dem Werke seine Zeitstellung um die Wende
des 15. und 16. Jahrhunderts anzuweisen. Maria trägt
mit beiden Händen den heiter zu ihr aufblickenden,
ungewandeten Jesusknaben, welcher mit der liebkosen-
den Linken den Hals der Mutter umfasst und die
Rechte frei herabhängen lässt. — Eine Greisengestalt,
die durch -das Blutzeugenattribut des Hammers auf
den h. Gervasius bezogen werden kann, wirkt befrie-
digender durch ihre maassvolle Drapirung als durch
die unkünstlerische Behandlung von Haupt und Hän-
den, infolgedessen die Statue über schwaches Mittelgut
sich nicht erhebt. Eine liegende Figur in der Auf-
fassung des im Grabe ruhenden Erlösers zeigt unge-
achtet schwerer Beschädigung manche Merkmale acht-
barer Meisselführung. Von der hier befindlichen spätest-
gothischen St. Annastatue ist bereits oben S. 256 die Rede
gewesen. — Als kunstgewerbliches Erzeugniss der Go-
thik verdient eine Paramententruhe mit schmiedeisernem,
lilienförmig stilisirtem, derbem Beschläge Erwähnung.
Die Westfassade der Ritterstiftskirche (Fig. 164),
aus einem Thurmpaar nebst gegiebeltem Zwischenbau
bestehend, ist nach Stil und Mauertechnik ein bemer-
kenswerther Ueberrest der dem gothischen Neubau des
Dechanten Richard von Ditensheim vorhergegangenen
Fig. 163. Wimpfen im Thal.
Ritterstiftskirche St. Peter. Münsterkirche. Der Stil folgt dem frühromanischen
Madonnenstatue in dernördlichen Gesetz; das Material insbesondere der Thürme
Sakristei. ist Muschelkalkstein aus der Wimpfener Gegend. *)
Wann wurde die Westfassade erbaut? Wie überhaupt für die Zeit der Grün-
dung des Ritterstifts und seines vorgothischen Gotteshauses fehlt es auch hinsichtlich
der Errichtung dieses Bautheiles durchaus an urkundlichen, d.h. schriftlichen Belegen.
Infolgedessen bildet die Ursprungsfrage der Westfassade in archivalischem Betracht
noch immer das Kreuz der Kunstforschung. Wohl tauchte von Zeit zu Zeit diese
*) Wir verdanken diese Materialbestimmung der Güte des Hrn. Landesgeologen Dr, Gustav Klemm.