Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

    
  
  
    
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
   
  
  
  
  
   
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
Thürme 
EHEMALIGER KREIS WIMPFEN 
und jene Hypothese auf, so z. B. die karolingische, deren Anhänger auf das alter- 
thümliche Aussehen des Bauwerkes besonderes Gewicht legten. Diese Hypothese, 
die neuerdings wenn auch vorübergehend abermals auf dem Plan erschien, ist schon 
desshalb hinfällig, weil nach dem Bericht des Burchardus de Hallis die Invasion der 
Ungarn, welcher die Stadt Wimpfen sammt der alten Stiftung im Thal zum Opfer 
gefallen, nicht im Zeitalter der Karolinger sondern erst im Jahre 905 geschah und 
der Neubau ohnehin nicht unmittelbar nach der Katastrophe sondern erst später 
= tandem drückt sich der Chronist aus in Angriff genommen wurde. — Eine 
andere Meinung gibt der Westfassade ein ungleich jüngeres Alter, indem sie der 
Bauschöpfung die nämliche Ursprungszeit zuweist wie der Wimpfener Kaiserpfalz, 
deren Errichtung um die Wende des 12. und 13. Jahrhunderts geschah. Diese An- 
sicht galt während der 50er Jahre in maassgebenden Kreisen als die allein richtige, 
was durch die Thatsache bezeugt wird, dass damals bei Auswechslung schadhafter 
Säulen in den Arkaden der Thurmgeschosse neue, nach Vorbildern der Kaiserpfalz 
gearbeitete Säulen zur Verwendung kamen.*) Ebenso wenig wie die Meinung von 
der karolingischen Entstehung des Bautheiles beruht die Annahme seines hohenstau- 
fischen Ursprunges auf verlässigen Stützen. Wie in so vielen Dingen liegt auch hier 
die Wahrheit in der Mitte. Kein Zweifel, der Grundzug des ganzen Bautheiles ist 
romanisch. Aber, welchem Stadium der romanischen Stilentwickelung das Werk 
angehört, das ist’s, worauf es bei der Lösung der Frage ankommt. An der Hand der 
Stilkritik, die schon so manches Mal als sichere Führerin unsere Schritte lenkte, be 
absichtigen wir in der nachfolgenden Baubeschreibung den Nachweis dafür einzu 
flechten, dass die historische Stellung der Westfassade weder in der Karolingerära 
noch in der Hohenstaufenära zu suchen ist und dass wir vielmehr allen Anlass 
haben, der Öttonenzeit ihre Entstehung zuzuweisen. Beginnen wir mit den Thürmen. 
Die beiden Fassadenthürme sind von quadratischer Anlage in den Unter 
geschossen, deren Seitenlängen je 5,20 m betragen und deren Inneres durch kunst- 
lose Mauerschlitze schwach erhellt wird. Unter theilweiser Vermittelung eines dem 
Anschein nach in gothischer Zeit erneuerten Simses setzen die Viereckgeschosse am 
oberen Drittel ihrer Mauerhöhe in’s Achteck um und behalten die Oktogonform in 
den zwei folgenden Geschossen bei, die von regelrecht konstruirten Licht- und Schall- 
öffnungen durchbrochen sind. Die Fenster der unteren Geschosse erheben zwar auf 
tektonische Durchbildung geringen Anspruch, aber ihr Sturz zeigt entschieden Rund- 
bogenform. Ungleich entwickelter tritt die Fensterarchitektur der Obergeschosse auf, 
woran paarweise geordnete, sogen. gekuppelte Rundbogenöffnungen mit Blendbogen 
friesen auf Maskaronkonsolen die Wandflächen beleben und das Motiv der Arkaden 
zweitheilung vortheilhaft wirkt. An den Arkaden des Südwestthurmes treten 
moderne Architekturtheile zahlreich auf, insbesondere die vorhin erwähnten, nach 
Motiven der Kaiserpfalz gearbeiteten Säulen, die somit für die kunsthistorische Be- 
trachtung belanglos sind. 
Eine um so erfreulichere Erscheinung ist es, dass die den Nord westthurm 
umgürtenden Arkaden von dieser Schlimmbesserung minder heimgesucht wurden und 
3 
) Vergl, v. Lorent, S.: 279. 
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