Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

   
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B. 
   
WIMPFEN A. 
schwebenden sechs kleinen Himmelsboten mit Leidenswerkzeugen in den Händen, 
von den ebendaselbst angebrachten fünf Schildchen mit den Abzeichen der heiligen 
Wunden Christi, sowie von den Genien in den oberen Zwickeln des Schreines, was 
Alles die Thatsache bezeugt, wie unendlich weit der plastische Renaissance-Orna- 
mentist des erneuerten Hochaltars hinter dem Urheber der gleichzeitigen und stil- 
verwandten malerischen Ornamentation künstlerisch wie kunsttechnisch zurück- 
geblieben ist. 
Der steinerne Dreisitz (Fig. 11), welcher auf der Epistelseite des Hochaltares 
an die südliche Chorwand sich anlehnt, ist seiner ursprünglichen Bestimmung nach 
kein Wandschrank, wofür das zierliche Werk, nach Ausweis vorhandener Spuren, 
noch vor nicht langer Zeit im Gebrauch war, sondern ein sogenanntes Sedile, auf 
dessen in Nischen angeordneten Sitzbänken der am Hochaltar celebrirende Priester 
und dessen beide Ministranten, Diakon und Subdiakon, bei besonderen gottesdienst- 
lichen Anlässen, u. a. während der Predigt sowie beim gesanglichen Vortrag des 
Gloria, Credo, der Psalmen und Hymnen, sich niederliessen. Das Material des 
leider vielgeschädigten Sedile ist Sandstein; seine Abmessungen sind: 200 mi 
Breite, 2,20 m Höhe. Die reinen Linien der tektonischen Bestandtheile deuten 
auf das gleiche Zeitverhältniss wie die Architektur des Chorbaues, mithin auf die 
Aera der Blüthe des gothischen Stiles, der sogen. Hochgothik. Ueber den drei 
Sitznischen spannen sich Spitzbögen aus, die von schlanken Dreiviertel-Säulchen mit 
attisirenden Basamenten getragen werden und von bossengesäumten Wimpergen 
überragt sind. An den Fusspunkten des mittleren Wimperges schiessen Fialen auf 
als Baldachinbekrönungen über zwei Statuetten, von denen die eine den h. Erzengel 
Michael mit dem Speer als Satansbezwinger, die andere einen Dämon kopfüber in 
jähem Sturz darstellt. Von zwei grösseren Statuen der Seitennischen des Sedile ist 
nur noch eine in frei wallender Lockenfluth auftretende, langgewandete jugendliche 
Heiligenfigur (St. Johannes Baptista?), ein verstümmeltes kelchartiges Gefäss tragend, 
vorhanden. Aus Meisterhänden sind weder diese Skulpturen hervorgegangen, noch die 
zwischen den Fialen und Wimpergen als Wasserspeier angebrachten unreinen Thiere 
Hund und Schwein, noch auch die auf den Spitzen der Wimperge kauernden, die 
Stelle von Kreuzblumen vertretenden Thiergrotesken. Sonach steht die Plastik des 
Sedile bei weitem nicht auf der Höhe seiner einfach schönen Architektur. 
Auf der Evangelienseite des Hochaltars, dem Sedile gegenüber, erhebt sich an der 
nördlichen Chorwand ein Sakramentshäuschen (Fig. 12) auf zwei Doppelstufen in 
folgerichtig gegliederter Struktur. Es ist ein gut erhaltenes Beispiel jener thurm- 
ähnlichen Tempelchen, die auch unter der Bezeichnung Gotteshütten, Frohnwalme, 
Tabernakel vorkommen und zur Aufbewahrung der h. Eucharistie als geheimnissvolles 
Heiligthum des Allerhöchsten die ganze gothische Aera hindurch gebräuchlich waren, 
nachdem während der romanischen. Stilepoche die Aufbewahrung der konsekrirten 
Hostie in einer kostbaren Pyxis stattgefunden, die in Taubengestalt an einem Krumm- 
stab hinter dem Altare mittelst Ketten herabhing. — Lassen schon die Formen des 
5,30 m hohen, in seinen unteren und mittleren Bestandtheilen aus Heilbronner 
Sandstein errichteten Sakramentshäuschens über spätgothische Entstehung keinen 
Zweifel, so wird die Zeitstellung des zierlichen Werkes noch genauer durch eine im 
Sedile 
Sakraments- 
häuschen
	        
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