Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

       
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
    
   
   
   
   
   
   
   
    
  
    
  
   
    
   
   
   
   
    
Wimpfener 
Normal -Längen- 
maass 
Loggie 
38 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN 
leeres Feld spielend umschliessen. Die Polychromirung des Gewölbes ist neu. Der 
aus der Vorhalle in das Kirchenschiff führende Zugang ist spitzbogig konstruirt; die 
doppelte Hohlkehlengliederung seiner Gewände entwickelt sich aus Polygonbasamenten, 
die in gemeinsamer, ebenfalls polygon gestalteter Plinthe wurzeln. 
Innerhalb der Vorhalle sind zwei runde Eisenplatten von 25 cm Durchmesser 
mittelst Verbleiung senkrecht übereinander in das Gestein eingelassen. Die untere 
Eisenplatte ist abwärts gebogen, wie es scheint durch gewaltsame Einwirkung. Der 
Abstand der beiden Eisenmarken von 1,23 m bezeichnet augenscheinlich das mittel- 
altrige Normal-Längenmaass der Reichsstadt und stand auch an anderen Orten, die 
gleich -Wimpfen Jahrmarktsfreiheit besassen, in Uebung. Als Analogon sei — schon 
in Ansehung der damaligen nahen Beziehungen der beiden Städte Worms und 
Wimpfen — die Eisenmarke am Sockel des äusseren Ostchorabschlusses des Wormser 
Domes erwähnt. 
Zwei an den Innenseiten der Portalhalle im Flachbogen gespannte und an den 
oberen Ecken ihrer Gewände mit Stabkreuzungen versehene Thüren stellen die Ver- 
bindung mit Wendelstiegen her, die innerhalb des Mauerwerkes auf die Höhe einer 
offenen Loggie führen und ehedem auch die beiden äusseren Aufgänge zur Empore 
des Innenbaues vermittelten, die jetzt durch rohe Holzthüren geblendet sind. Die 
Loggie nimmt den ganzen Raum zwischen den beiden Portalstrebepfeilern ein und ist 
über dem Portalbogen so hoch angebracht, dass nur dessen Kreuzblume die von 
flüssigem Schneussenwerk durchbrochene Brüstung überragt. Am unteren Simszug 
recken phantastische Thiere von nicht eben sorgfältiger Meisselführung ihre Häupter 
hervor; sie dienen als Wasserspeier. Den Hintergrund der Loggie bildet ein in die 
Fassadenhochwand gefügtes stattliches Rosenfenster mit tiefgelaibter Umrahmung. 
Dem ansehnlichen Durchmesser von 255 m im Lichten entspricht die wohlthuende 
rhythmische Disposition des Maasswerkes, das aus einem mittleren grösseren Vierpass 
und acht ringsum angeordneten kleineren Vierpässen besteht. Sämmtliche Passformen 
sind edel gegliedert und würden im Grundton ihrer harmonischen Gruppirung den 
indruck der Blüthenära hinterlassen, wenn die abgestutzten Durchkreuzungen ihrer 
Halbkreiseiiden nicht doch den spätgothischen Ursprung verriethen. — Das weit- 
räumige Rosenfenster erfüllt nicht nur den Zweck, einen Strom von Licht in das 
Hochschiff zu senden, — eine Aufgabe, die später in Folge der Aufstellung eines 
ausgedehnten Orgelwerkes an der Innenseite stark beeinträchtigt wurde es kommt 
ihm auch ein wesentlicher Antheil an der Gesammtwirkung des Portal- und Loggien- 
baues zu, dessen Monumentalität durch die formenreiche Ausstattung keineswegs 
benachtheiligt wird. Meister Bernhard Sporer kannte genau die Grenzen, innerhalb 
welcher die Formen eines derartigen Bauwerks sich bewegen dürfen, um einerseits 
der Tektonik ihr Recht zu wahren und andererseits den dekorativen Ansprüchen zu 
genügen, ohne dem Schmuckvollen allzuviel einzuräumen und sich in’s Ueberladene 
und Excentrische zu verlieren. Sein Wimpfener Portalbau wird darum von ähnlichen 
Schöpfungen gleicher Abmessung und gleichen Stilstadiums nicht leicht übertroffen 
werden. — Die Bestimmung der Loggie umfasste ohne Zweifel geistliche wie weltliche 
Zwecke: sie diente hiernach theils zu gottesdienstlichen Segnungen und Verkündigungen 
der Gnadenmittel der Kirche, wohl auch zur Vorzeigung von hochverehrten Heilig- 
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