Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

       
   
    
   
   
   
   
    
   
  
   
   
   
   
   
   
     
    
   
   
     
  
     
    
      
    
    
   
   
   
   
   
   
    
   
      
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WIMPFEN A. B. 61 
Professor August Noack in Darmstadt — erschwert ihre kunstwissenschaftliche 
Beurtheilung. Soviel liegt übrigens am Tage, dass diese Arbeiten entfernt nicht als 
Meisterwerke, sondern, wenn es hoch kommt, als leidliches Mittelgut anzusehen sind, 
das gegenüber den grossen Vorzügen des jüngsten Gerichtes im nördlichen Seiten- 
schiff nicht Stich halten kann. Zwar sind einige Köpfe nicht ohne achtbaren typischen 
Ausdruck, aber die Zeichnung ist mit wenigen Ausnahmen ungenügend, um nicht zu 
sagen roh. Der Stil der Gewandung gothisirt noch an manchen Stellen, trotz den 
vorherrschenden Einwirkungen der Renaissance; die Ornamentation der Credo-Tafeln , 
Medaillon-Kaiserbilder und Stiftungszeichen aber ist schon durchweg renaissancemässig. 
Den Zwiespalt der deutschen Eigenart und des fremden Einflusses hat die ohnehin 
unzulängliche Begabung des Malers nicht zu lösen gewusst; und so stehen denn 
(die Schlimmbesserung der Spätrenaissance hinzugenommen) diese Apostelgestalten 
da als unerfreuliche Beispiele der Hinopferung des deutschen Kunstnaturells zu 
Gunsten missverstandener und veräusserlichter Nachahmung der Italiäner. Die Jahr- 
zahl 1516 an der Figur des h. Andreas kann darüber nicht täuschen, ebensowenig 
die Jahrzahl 1598 an der Figur des h. Thomas. Anfangs des 16. Jahrhunderts war 
die Kunst der italiänischen Renaissance noch lange nicht in dem Grade in die deutsche 
Malerei eingedrungen, um darin das Scepter zu führen; beim Herannahen des 17. 
Säculums jedoch hatte die neue Kunstweise schon überall die Herrschaft errungen. 
Die Jahrzahl 1516 wird darum auf den Beginn der Apostelgemälde im Stil deutscher 
Kunst, die Jahrzahl 1598 hingegen auf eine italienisirende Uebermalung zu beziehen 
sein. Ein Nebenumstand ist für die letztere Datirung wichtig. Wenige Jahre vor 
diesem Zeitpunkt war die Stadtkirche nach langen Streitigkeiten und wiederholtem 
Simultangebrauch in dauernden Besitz der Protestanten übergegangen. Nur aus 
diesen veränderten Verhältnissen lässt sich die auffällige Physiognomie des Apostels 
Philippus erklären, welcher seitdem die Gesichtszüge Luthers zeigt ‚*) eine Erscheinung, 
die sicherlich nicht aus der vorreformatorischen Besitzära der Stadtkirche herrührt, auf 
die ohnehin das Matthäus-Spruchband »SANCTAM ECCLESIAM CATHOLICAM« 
wie mit Fingern hindeutet. 
Andere Wandmalereien füllen die Spandrillen d. i. die Bogenzwickel an den 
Arkaden der Empore. Diese Gemälde haben in jüngster Zeit ebenfalls eine Er- 
neuerung erfahren, die den Charakter ihrer Entstehung im Uebergang zur Renaissance 
pietätvoll geschont hat. Im Spandrillenpaar der Mittelarkade ist de Verkündigung 
zur Darstellung gebracht. Inmitten einer von Wolken umgebenen Lichtglorie schwebt 
der Erzengel Gabriel mit bunten Fittichen heran. Sein Lockenhaar und das weisse 
(Gewand sind wie vom Winde bewegt. Die Rechte ist erhoben und deutet auf eine 
von Genien und Renaissanceornamenten umrahmte Schrifttafel mit Weissagungen 
des alten Bundes in hebräischer Fassung. Eine analog stilisirte Schrifttafel in der 
Linken des himmlischen Boten enthält dessen Gruss in folgender Schreibung: AVE 
GRACIA PLENA DOMINVS TECVM; Gegrüsset seist Du, voll der Gnade, der 
*) Professor A. Noack äusserte sich auf Befragen des Verfassers dahin, dass er den Luther- 
kopf des Apostels Philippus vorgefunden und Nichts aus Eigenem hinzugefügt, sondern nur das 
Nothwendigste erneuert habe. 
Wandgemälde 
an der Empore 
  
  
 
	        
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