Full text: Ehemaliger Kreis Wimpfen (A, [3])

       
   
  
   
  
  
   
  
   
   
   
    
   
   
  
   
    
    
   
  
  
   
   
   
  
  
  
   
  
   
    
  
   
   
   
  
  
   
  
   
     
Kanzel 
62 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN 
Herr ist mit Dir; am Fuss des Engels sieht man ein zweigetheiltes Wappen mit 
Horizontalbalken und zwei aneinander gefügten Weberschiffchen , über denen ein 
Kreuz schwebt. — Maria empfängt die Botschaft an einem Renaissance-Betstuhl 
knieend, auf welchem ein aufgeschlagenes Buch liegt. Ihr Blick ist in Demuth 
gesenkt; die Hände sind über die Brust gekreuzt. Im weissen Schleier und blauen 
Gewand kommen noch gothisirende Faltenaugen vor. tin Spruchband enthält die 
Antwort der Jungfrau auf die Verkündigung Gabriels: ECCE ANCILLA DOMINI 
FIAT MIHI SECVNDVM VERBVM TVVM; Siehe, ich bin eine Dienerin des 
Herrn , mir geschehe nach Deinem Worte. Von Lichtglanz und Wolken umgeben 
erscheinen über einer Landschaft die Taube des heiligen Geistes und das Christkind 
in der Auffassung des schwebenden kreuzt -agenden Logos. Ein Wappenschild zeigt 
einen goldenen Kelch und die Stifter-Initialen C. L. — Die Propheten Jeremias, 
Jesaias, Daniel und Ezechiel in den Bogenzwickeln der Nebenarkaden sind moderne, 
michelangelesk nachempfundene Arbeiten. Modern muthen ebenfalls an: der sieben- 
armige Leuchter und das Buch mit sieben Siegeln auf den Arkaden-Schlusssteinen. 
Eine Gewölbekappe der mittleren Emporenarkade enthält als Gemäldeschmuck die 
halblebensgrossen Figuren der h. h. Crispinus und Crispinianus. 
An einer Säule des Mittelschiffes baut sich die Kanzel auf, welche ihre Ent- 
stehung zwei gesonderten Stilweisen verdankt und auch verschiedenes Material auf- 
weist. Fuss nebst Brüstung bestehen aus Heilbronner Sandstein und gehören der 
späten Gothik an; der Baldachin oder Schalldeckel ist aus Holz und ein Werk der 
Spätrenaissance, des sogen. Barocco. Jeder Bestandtheil hat Anspruch darauf, ein 
bemerkenswerthes Erzeugniss der ihm eigenthümlichen Stilart zu sein. (Fig. 30.) 
Der gothische Kanzelfuss hat die Gestalt eines ornamentirten Pfeilers und entwickelt 
sich auf sechstheiligem Basament aus mehrfach verjüngtem und gekreuztem Stabwerk 
mit Uebereckstellung der Horizontal-Abstufungen. Der Pfeiler setzt die Sechstheilung 
fort mit Rundstäben an den Kanten und dazwischen liegenden vertieften Flächen. 
Eine schräg geränderte Platte deckt den Säulenschaft ab, worauf der geschmiegt aus- 
ladende und mit Blendmaasswerk verzierte Uebergang zur Kanzelbrüstung anhebt. 
In der auch hier folgerichtig beobachteten Sechstheilung ragt die Brüstung mit vier 
stabgesäumten, nischenartig vertieften Bogenfeldern weit vor. Diese 68 cm hohen 
Felder zeigen als modernen malerischen Schmuck von der Hand des Professors 
A. Noack die Figuren der Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes mit 
ihren Attributen Engel, Löwe, Stier, Adler, als evangelischen Sinnbildern nach der 
Ezechiel-Vision und der Apokalypse. Der an die Arkadensäule gelehnte, gewundene 
Treppenaufgang ist an seinem Steingeländer von lebhaftem Fischblasenornament durch- 
brochen und theilt, wie der gesammte untere Kanzelbau, die gleiche Zeitstellung mit 
der Architektur des Langhauses. — Anders der Kanzelbaldachin, welcher gegen 
Ende des 17. Jahrhunderts an die Stelle des gothischen Schalldeckels getreten ist. 
Mag man über das Barocco in streng architektonischem Betracht denken und urtheilen 
wie man will: angesichts zahlreicher dekorativer Erzeugnisse dieser Stilrichtung wird 
kein Einsichtsvoller ihre eigenartige Schönheit anzweifeln , geschweige denn aus ein- 
seitigem Purismus und zu Gunsten eines nagelneuen gothischen Schalldeckels die 
Entfernung eines Werkes wünschen wollen , welches darthut, dass auch die Spät- 
    
 
	        
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