Epitaph
Glasgemälde
68 EHEMALIGER KREIS WIMPFEN
Auf dem Schooss der trauernden Mutter, von deren Stirne ein Schleier und reiches
Haar niederwallen, liegt der Leichnam des göttlichen Sohnes. Sein Haupt trägt die
Dornenkrone. Aus der klaffenden Seitenwunde quillt Blut hervor. Die Gewandung
der Madonna ist von leidlichem Wurf; dagegen lässt die Anatomie des Leichnams
viel zu wünschen übrig. Es wird darum wohl Niemand in den Sinn kommen, das
überhaupt an Formengefühl arme und eben nicht aus Meisterhänden hervorgegangene
Werk künstlerisch zu überschätzen. Gleichwohl ist die Skulptur durch ihr Alter
künstgeschichlich beachtenswerth, insofern Auffassung wie Behandlung, die geregelten
Gewandfalten und die Spuren früher Polychromirung insbesondere, mindestens auf
den Beginn des 14. Jahrhunderts zurückdeuten und zur Annahme berechtigen, dass
die Gruppe schon dem der jetzigen Kirche vorhergegangenen Gotteshause angehört
hat und allem Anschein nach dessen einziger plastischer Ueberrest ist.
An der Hochwand gegenüber sieht man in Form eines Epitaphs das Oelbildniss
des Diakonus Winkler 7 1747, ein würdiges Greisenantlitz, dem die Allongeper-
rücke leider einen pedantischen Zug gibt. Die reich geschnitzte, zwischen Barocco
und Rococo getheilte Umrahmung des die Mittelgutlinie nicht überschreitenden Ge-
mäldes enthält im Stil und Geschmack der Zeit einen Todtenschädel, eine Sanduhr
und einen umgestürzten Leuchter mit erloschener Kerze, als Symbole der Vergäng-
lichkeit alles Irdischen.
Die Architektur des dreitheiligen Kapellenfensters umschliesst beachtenswerthe
Glasmalereien, (s. o. Fig. 32 c) die sowohl im Figürlichen wie im verschlungenen
Astwerk des Ornamentalen den spätgothischen Grundzug nicht verläugnen, aber da
und dort auch schon von der Renaissance angeweht sind, so dass ihre Entstehung
mit Verlässigkeit für den Beginn des 16. Jahrhunderts beansprucht werden kann. Es
sind sechs Gemälde, die in zwei Horizontalreihen neben einander geordnet sind. Die
obere Reihe enthält im Mittel Maria mit dem Jesuskinde, und an den Seiten St. Ka-
tharina und St. Margaretha. In der unteren Reihe nimmt die Kreuzigung die Mitte
ein; daneben erscheinen die Gruppenbilder der heiligen Jungfrau, des Jesusknaben
und der Mutter Anna in der Auffassung Selbdritt auf der einen, und die Anbetung
der drei Weisen aus dem Morgenland auf der anderen Seite. Diese allgemeinen
Angaben bedürfen noch einiger Ergänzung. Die Madonna im oberen Mittelbild ist
als gekrönte Himmelskönigin aufgefasst und von einer die ganze Figur einschliessen-
den Strahlenglorie umflossen; St. Katharina zeigt Buch, Rad und Schwert als Attribute
der Gelehrsamkeit und des Martyriums; die diademgeschmückte h. Margaretha trägt
in der Linken ein Buch und in der Rechten ein gedoppeltes Stabkreuz, welches sie
gegen den als zähnefletschendes Ungeheuer dargestellten Satan richtet; dabei steht
das Stifterwappen mit einem Stern im Felde. In der Figur des Gekreuzigten walten
Züge der Ergebung und edlen Leidens. St. Johannes schaut theilnahmvoll auf die
gebeugte Mutter hin, die dadurch von der hergebrachten Auffassung sich entfernt,
dass sie nicht zum Kreuz emporblickt, sondern in einer von dem verscheidenden
Sohn abgewendeten Haltung ihrem Schmerzgefühl sich überlässt. Die Gewand-
draperieen der Madonna sind von trefflichem Wurf. In der Gruppe Selbdritt über-
reicht Mutter Anna dem Jesusknaben einen weissen Blüthenkranz. Der Vorgang
einem durch ein Fenster erleuchteten Gemache eines bescheidenen
vollzieht sich in