Biblis 105
eine ärmere, vielleicht etwas ältere Stammesverwandte der Barbara und „Apollonia“
des Stadtkirchen-Hochaltares zu Wimpfen a. N. vermuten.
Die Stirnfeite des linken Querfchiffes durchbrechen zwei Fenfter; zwifchen diefen
und zu beiden Seiten ftehen die heiligen drei Könige. Alle find dem Chore zu-
gewendet; in der jegigen Aufftellung zuerft der jüngere König, dann — zwifchen den
Fenftern — der Greis, zulegt der Mohr. Der erfte mißt 1,05 m Höhe. Alle drei
Figuren find hinten flach und hohl. Die moderne Faffung befchränkt fich auf Farbe
und Vergoldung.
Der erfte Weife, dunkelhaarig, mit wallenden, gefcheitelten Locken und eckig ge-
[Chnittenem Vollbart, trägt enganliegende Beinlinge, darüber ein kurzes, bis zur Mitte
des Oberfchenkels reichendes, kittelartiges Wams, das aber unter dem langen, fchweren
Mantel nur in der Mitte der Bruft fichtbar wird. Da der Weife im Begriff ift, mit
zurückgelegtem Oberkörper das rechte Knie zu beugen, fällt der Mantel mit dichtem
Gefält auf den Boden. Er hat lange, faltige, aber ziemlich enge Ärmel und einen
pompöfen Revers, der die ganzen Schultern bedeckt und nach unten fpit zuläuft.
Diefer Mantelumfchlag ift das Charakteriftifche der Tracht. In der Linken hält der
Weife in Brufthöhe einen Pokal, der rechte Arm hängt mit leichter Krümmung
herunter, die Hand preßt mit erregtem Griff die wollene Kappe zufammen. Die
Füße ftecken, wie auch bei den beiden anderen Figuren, in niedrigen Schuhen. Die
Haltung ift unbedingt realiftifch. Überhaupt geben die drei Figuren, namentlich
in der modernen, knalligen Bemalung fChon etwas zuviel Illufion. Sie wirken wie
derbe Wachspuppen.
Das gilt namentlich auch für den zweiten Weifen, den Alten. Auch fein
Geficht umwallt Haar und Vollbart, ergraut, in üppigen Locken. Der fthwerhängende,
weitärmelige Schleppmantel läßt vom Körper nur das feitlich vorgeftellte rechte Bein,
ebenfalls in trikotartiger Bekleidung, fehen. Mit beiden Händen hält der Alte ein
koftbares Käftchen und zugleich feinen Hut bis vors Geficht hoch. Beim Heran-
f&hreiten ift ihm das linke Mantelende zwifchen die Beine gefchlagen, fodaß das linke
gänzlich verhüllt if. Die zahlreichen parallelen Falten find mit charakteriftifchen
kleinen Brüchen oder Augen auf dem Rücken der Stege verfehen.
Befonders elegant zeigt fich der Mohr; er ift kleiner als die beiden anderen, von
gedrungener Geftalt. Die Füße ftehen mit Ferfenfchluß im rechten Winkel auseinander.
Der Oberkörper legt fich ftark zurück; vor der Bruft hält er mit beiden Händen ein
Deckelhorn auf einem Ständer. Schuhe, Beinkleid und Kittel find von gleicher Art wie
bei den beiden anderen. Statt des langen Ärmelmantels trägt er jedoch einen kurzen
Umhang, der über die Handgelenke mit fteilen Gradfalten und fpigen Enden bis zu
den Knien herniederhängt. Diefe [pit zulaufenden Zipfel beftimmen den Umriß der
ganzen Figur entfCheidend und verleihen ihr den außerordentlich flotten Eindruck.
Als Entftehungszeit wird für die drei Figuren das erfte Viertel des 16. Jahr-
hunderts anzunehmen fein.
An der gegenüberliegenden Querfchiffswand, zwifchen den beiden Fenftern, fteht
Drei Könige
eine Muttergottes mit dem Kinde auf dem Halbmond, von der man zunächft Muttergottes
annehmen möchte, daß fie zu den drei anbetenden Weifen gehöre. Das ift aber nicht
der Fall. Ihre abgewendete Haltung paßt nicht; auch ift fie bedeutend größer als
die Könige (Höhe 1,25 m) und ficher früher angefertigt. Überdies foll fie ehemals
als Gnadenbild in einer benachbarten Kapelle verehrt worden fein. Sie ift auf ihrem
jetzigen Standorte fchwer zu fehen und gar nicht zu photographieren, außerdem ftark
überarbeitet. Ihre geföhwungene Haltung ift noch durchaus „gotifch“, der Kopf etwas