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Viertel. Aber auch das Erzbistum Mainz als Nachfolger der Abtei Lorfch und oberfte Kirchen-
behörde hatte noch Güter und Gefälle und vom großen Zehnten ein Drittel, während zwei
Drittel der Herrfchaft Erbach zukamen. Die Mainzer Befigungen trugen zum Teil wieder die
Erbacher zu Lehen. So erhält nach dem Lehnsbuch von 1420--1461 (Dahl, Urk. S. 147 Nr. 20)
Schenk Eberhard von Erbach die Einkünfte von zwei Höfen zu Grünac (Gronau). Von
Erbach trugen die Herren von Habern einen Teil des Zehnten zu Lehen, der nach dem
Ausfterben der Familie wieder zurückfiel (Simon S. 140 und Urk. Nr. 216). Die hohe Ge-
richtsbarkeit ftand feit alter Zeit dem Zentgericht auf dem Landberg bei Heppenheim zu.
In kirchlicher Hinficht gehörte Gronau zum Bensheimer Landkapitel des Archidiakonats
St. Viktor der Diözefe Mainz. Nach Schneider (Erb. H. S. 296) hatte es eine eigene Kirche
und war eine alte Parochie oder Pfarrei. Dies legtere ftellt jedoch Dahl (Lorfch S. 196) in
Abrede und behauptet (S. 39), Gronau fei bis ins 16. Jahrhundert Filiale von Bensheim
gewefen. Dagegen [pricht aber der Wortlaut einer Urkunde vom Jahre 1387 (Schneider,
Urk. S. 108 Nr. 55). In diefer ftiftet Schenk Heinrich von Erbach ein Jahrgedächtnis und
beftimmt dafür gewiffe Einkünfte und Gefälle an eine Anzahl von Kirchen. Es heißt darin:
„Darnach han ich gefeget an alle diefe nachgefchriben Gotshufer an iecliches ein Malter
Korns etc... ..... Item eyme Pfarrer zu Benßheim ein Malter vff der Molen zu Heß-
felden, Item eim Pfarrer zu Grunawe ein Malter vff dem Hofe dofelbes, Item eyme
Caplan zu Schonneberg ein Malter vff der molen zu EInßhufen.“ Wenn in diefer Urkunde
neben anderen Pfarrern und einem Pfarrer zu Bensheim ein Gotteshaus und ein Pfarrer
zu Gronau genannt wird, fo geht bei unbefangener Betrachtung hieraus doch zur Genüge
die Selbftändigkeit der Parochie hervor, wenn auch Dahl behauptet, daß zuweilen auch
Lokalkapläne Pfarrer genannt worden feien. Werden doch in der Urkunde die Kapläne
(zu Zoßenbach und Schönberg) ausdrücklich von den Pfarrern unterfchieden. Ja neben
dem Pfarrer erfcheint bald auch noch ein Kaplan, der zeitweife in Gronau oder in Bensheim
anfäffig war. Das lehrt eine Urkunde im Gronauer Pfarrarchiv (Kopie) vom Jahre 1427,
überfchrieben: Hic notatur Camerarios alias Dalburgenses && (= esse) collatores Capelariae
sancte Anne in eccl. Grunawe. In diefer Urkunde vermacht Hans Kemerer (von Worms),
derzeit Burggraf zu Starkenburg,!) dem Kaplan Erwißmehl die Gülte von einem Morgen
Wingert, gelegen zu Bensheim, beftehend aus acht Eimer Wein, „jerlich und ewiglich zu
geben und zu reichen und zu antworten Eym Kapellan des egenanten Altars gegen (= nach)
Gronau oder gegen Bensheim.“ Hieraus geht hervor, daß mit der Pfarrkirche noch eine
Kaplanei verbunden war, der Kaplan aber bald in Gronau, bald in Bensheim wohnte.
Von befonderer Bedeutung für die Gefchichte der Kirche in Gronau ift das im dortigen
Pfarrarchiv aufbewahrte Gültbuch des Pfarrers Martin Knapp vom Jahre 1503, das außer
einem Verzeichnis fämtlicher Gefälle auch noch abfchriftlich wichtige Urkunden, darunter
die oben erwähnte vom Jahre 1427 und fpätere aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, ent-
hält. In diefem Gültbuch findet fich auch Nachricht über eine geiftliche Bruderfchaft zu
Gronau (S. 32).2) Es heißt dort: „Item in den fir (vier) fronfaften alle wog (ch) uff den
Sambftag beget man die bruder- und fchwefter([chaft) mit 4 Priftern mit dem pferrer (sc. von
Gronau). Den dryen gib der pferrer zu effen und jr jglichen 1 Sch. oder 4 Sch. und nit zu
effen. darumb muffen die bruderknecht (Kaftenmeifter) eym pfr. geben jerlich 4 mal XVII Sch.“
Auch hier wird ein ftändiger Pfarrer in Gronau ausdrücklich erwähnt. Ferner geht aus der
Faffung der Urkunde hervor, daß die Bruderfchaft nicht damals erft gegründet wurde, fondern
fehon vorher beftand. Der Verfaffer des Gültbuches, Martin Knapp aus Heidelberg, war an-
fangs in Gronau nur Pfarrverwefer, [päter Pfarrer, wie aus dem Gültbuch felbft hervorgeht.
Aber dies fpricht nicht dagegen, daß vorher dort fchon eine eigene Pfarrei war. Martin Knapp
war nicht nur in Gronau wohnhaft, fondern erwarb dort auch Güter, die er in feinem Teftament
teilweife der Kirche vermachte. Ferner fchenkte er der Pfarrei ein auf feine Koften erbautes
Haus im Jahre 1511. Wenn Würdtwein (D.M. I, 422) unter den ihm urkundlich bekann-
ten ums Jahr 1511 erfolgten Präfentationen von Geiftlichen im Landkapitel Bensheim hin-
fichtlich Gronau nur eine Präfentation ad altare St. Annae nennt, fo fteht auch dies mit
der Tatfache nicht im Widerfpruch, daß Gronau damals fchon lange eine eigene Pfarrei
hatte. Jedenfalls war nicht Peter Lefch, den Luck (Reformations- und Kirchengefchichte
der Graffchaft Erbach und Herrfchaft Breuberg S. 121) als erften Pfarrer anführt, der erfte
Pfarrer in Gronau überhaupt, fondern der erfte evangelifche Geiftliche. Er ftarb 1559, nach-
dem er zwanzig Jahre als Papift und zwanzig Jahre als lutherifcher Pfarrer im Amt geftanden
hatte. Daraus geht hervor, daß um 1539 die Reformation in Gronau eingeführt wurde.
Zur Pfarrei, deren Patronatsrecht den Herren von Erbach zuftand,?) gehörten vor der Refor-
!) Dahl (Lorfch S. 186) nennt unter den Burggrafen von Starkenburg 1425 Diether,
Kämmerer von Worms, und dann 1430 Hans von Habern.
?) Über geiftliche Bruderfchaften vgl. Wagner, Die vormals geiftlichen Stifte im Groß-
herzogtum Heffen I, 400, wo übrigens die Gronauer Bruderfchaft nicht erwähnt ift.
?) Den urkundlichen Beweis für diefe Tatfache enthält das Teftament des Pfarrers Martin
Knapp vom Jahre 1507 im Gronauer Pfarrarchiv.