100 Baubefchreibung: Das Innere des Domes, der Oftchor
Bevor die gotifchen Kapellen an die Seitenfchiffe angefchloffen wurden, hatten diefe
Fenfter den recht dunklen Eingangshallen einiges Licht zu fpenden.
Weiter öftlich finden fich die ganz glatten Türen zu den Sakrifteien. Sie zeigen einen
hohen geraden Sturz und darüber ein flach vertieftes Bogenfeld. Oben öffnet fich die
Wand nach den oberen Hallen in je zwei großen Rundbogenfenftern (f. Abb. 46 und
Tafel 28), und endlich umrahmen Eckvorlagen und kantige Schildbögen die Flächen. Bis
zum Scheitel der Schildbögen ift — abgefehen vom Fußboden, von dem weiter unten
die Rede fein wird, der urfprüngliche Zuftand im großen ganzen erhalten. Die Kuppel
aber ift neu, ift ein Werk von P. J. H. Cuypers (1873/75). Sie ift, wie man aus einem
Vergleich der Abb. 49 (auch Tafel 28) und 9 aufS. 29 fehen kann, fhlanker als die ur-
fprüngliche. Auch ift die Überführung vom Viereck ins Achteck etwas anders geworden.
Urfprünglich faßen die diagonal über die Ecken gefpannten Bogen höher, und die ver-
zogenen Kegelflächen der Wölbung hinter ihnen in den Zwickeln verliefen nicht fo
regelmäßig in die Ecken hinein wie heute. Immerhin ift der urfprüngliche Zuftand
hier nicht fo fehr viel anders gewefen als jegt, denn in der Südoftecke fteckt zwifchen
den Schildbogen noch der alte Anfänger der Auswölbung der Zwickelfläche.
Stärker fallen die Unterfchiede zwifchen einft und jest weiter oben ins Gewicht.
Urfprünglich faßen über den Scheiteln der Zwickelbogen breite, nicht fehr hohe Fenfter,
denen an den vier anderen Seiten ebenfolche flach ausgerundete Rundbogennifchen
entfprachen. Cuypers hat die Kuppel fchlanker, auch mit fChlankeren Fenftern und
Blendnifchen, wieder aufgebaut: der Inneneindruck ift dadurch nicht unwefentlich
verändert worden. Den urfprünglichen Zuftand hatte freilich fchon die gotifche Zeit
verändert: die Fenfter waren erhöht und fpitbogig gefähloffen worden (Abb. 49).
Allein die Kuppelwölbung war unangetaftet geblieben; ihre vortreffliche Konftruktion ı
aus großen Tufffteinen hat auch bis zu Ende (1871) allen Stürmen getroßt.
Die Zerklüftung der unteren Teile, die Abb. 49 fehr gut erkennen läßt, wird in
der Hauptfache auf die Veränderungen am Äußeren des Turmes zurückgeführt, die
oben (S. 52) auseinandergefegt worden find. Jedenfalls waren die Fundamente auf die
Dauer der ftarken Belaftung, die die Gotik dem Turm mit dem hohen achteckigen
Gefchoß gegeben hatte (das längere Zeit auch noch einen [hweren, fteillen Holzhelm
trug!), nicht gewachfen : der Turm fette fich, und zwar offenbar ungleich, fo ftark, daß
die Wände überall riffen. Schon das 15. Jahrhundert hat dem Beftand nicht mehr ge-
traut und auf fehr eigentümliche Art zunächft noch einmal Abhilfe gefunden.
Noch 1869 ftand unter dem Triumphbogen vor dem Chor der riefige Pfeiler, den
jene Zeit hier errichtet hatte (vgl. Tafel 5 und 3b und den Schnitt Abb. 49, ferner
Tafel 28). Man hatte den Triumphbogenpfeilern eine beträchtliche Vormauerung nach
innen gegeben und in der Mitte einen entfprechend breiten, hohen Pfeiler errichtet:
diefe drei Pfeiler wurden mittels Spigbogen verbunden. Darüber war dann der ganze
Triumphbogen mit einer Mauer gefchloffen worden. Das Ganze [tellte fich alfo als
eine den Chor völlig abtrennende Wand mit zwei fchmalen hohen Durchläffen dar.
Diefen Einbau ftrebte man feit 1857 wieder zu befeitigen. Allein erft 10 Jahre [päter
kam es dazu. Man war zu der Überzeugung gelangt, daß der Kuppelturm nie ganz zur
Ruhe kommen könne, daß fein Zuftand vielmehr, auch wenn man den Pfeilereinbau
unter dem Triumphbogen ftehenlaffe, gefährdet fei. Man brach deshalb 1870 die
Mollerfche Eifenkuppel, den gotifchen Achteckturm und die Refte (zwei Gefchoffe) des
romanifchen Kuppelturmes ab, und legte auch die romanifche Kuppel und felbft den
1) Schneider gibt (Sp. 32 Anm. 3) einige Einzelheiten über die Konftruktion mit den Maßen
der Steine an.
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