Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

Baubefchreibung: Das Innere des Domes, die oberen Chorhallen 
  
in den Wänden. Die Übergänge von den bald rauh, bald 
regelmäßiger behandelten Bruchfteinen zu den Quadern 
find hier bis zu einem gewiffen Grade fließend. Die 
Quader haben ungleichen, aber durchfhnittlich ziemlich 
(2—2,5 cm) breiten Saum, der nicht gefchliffen, fondern 
deutlich fcharriert, wenn auch faft glatt ift. Der flach erha- 
bene Spiegel ift gegenfäglich zur Richtung des Randbe- 
fchlags geriefelt, rauh, in dichten Linien, die ab und zu 
ganz leicht bogenförmig geführt find. Ebenfolche Quadern 
finden wir auch in den Durchgängen von den Hallen zur 
Galerie, befonders charakteriftifch in dem nördlichen. Und 
es kann fich dabei, wie ausdrücklich hervorgehoben wer- 
den muß, nicht etwa um übriggebliebenes Material, etwa 
vom Bau des Langhaufes her, handeln. Vielmehr finden 
wir die genannte charakteriftifche Behandlung auch an pro- 
Abb.56. Gewändeprofil inder filierten Stücken, die zweifellos für die heutige Stelle erft 
Arkade der oberen Chorhal- gefchaffen wurden. 
len. Die reicher profilierte ; i i i ee 
Seite ift der Halle zugekehrt. Diefes Material und feine Bearbeitung unterfCheidet fich 
alfo wiederum höchft charakteriftifch von Material und Ar- 
beit in den unteren Teilen des Oftbaus. Danach ftellen fich die oberen Chorhallen 
entfchieden zum Langhaus des Domes, das — abgefehen von [fpäteren Umgeftaltungen 
durchweg ein ähnliches Gepräge trägt. Es wird weiter unten zu fagen fein, was fich 
aus diefen Unterfchieden folgern läßt. 
Die nördliche Chorhalle ift noch ftärker erneuert als die füdliche. Zwar die Gewölbe 
find alt, aber die Faffung fämtlicher Schildbogen, die Wände in großen Teilen (am 
wenigften die Südwand mit der Arkade, Fenfter- und Türumrahmungen) — wieder 
mit Ausnahme der kleinen Pforte zum Durchgang auf die Galerie —, die Gewände 
der Doppelarkade in der Südwand (allerdings nur zum kleinften Teil): das alles ift 
neu. Das Nordfenfter ift auch hier nicht ganz offen: da fich das Dach der erften 
gotifchen Kapelle der Nordfeite hier anlegt, wurde der untere Teil des Fenfters bei 
der Herftellung der Wand unten in feftem Verband mit der Wand zugefett, fodaß nur 
der Bogenabfchnitt oben freiblieb. 
Hier haben die ftarken Rundftäbe im Profil der Arkade gegen den Chor Würfel- 
kapitellchen. Eines davon (im öftlichen Bogen) ift durch ein Adlerkapitell ähnlich denen 
der Galerie (nur beträchtlich kleiner) erfegt. Und überdies find in Kämpferhöhe in 
demfelben Arkadenbogen ein geflügelter Löwe und ein Drache (Tafel 7 m) eingefett 
durchaus im Stil der fonftigen Tierdekoration des Oftbaus. 
Als Ganzes genommen ftellt diefer Oftbau eine ebenfo überlegte wie mächtige An- 
lage dar. Wie im Chor auf Schmuck verzichtet ift und vor allem der außerordentliche 
Raum in feiner klaren Gliederung, feiner Steigerung der Höhe und feiner Lichtfülle 
zur Wirkung gebracht wird, das ift fehr bedeutend. Man muß fich zwingen, die 
Einzelheiten der modernen Herftellung und Ausftattung (insbefondere den unglück- 
lichen Altar, der den Maßftab verdirbt) und die fehreckliche Farbe (z. B. die harte auf- 
gemalte Verzahnung in kontraftierenden Tönen ufw.) zu überfehen, muß fich den Chor 
in der Pracht der farbigen Ausftattung denken, die ihm der Domkantor Godefrid 
unter Erzbifchof Konrad gegen Ende des 12. Jahrhunderts gab,!) muß fich vor allem 
einen kleineren Altar und eine fonftige feingliedrige Ausftattung hineindenken, dann 
1) Vgl. darüber Schneider Sp. 23 Anm. I und unten: Ausftattung. 
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