Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

138 Baubefchreibung: Das Innere des Domes, die Kapellen der Nordfeite 
vor allem niedriger als die romanifchen und zeigen die Zangenlöcher. Steinmeßzeichen 
treten nur wenige auf (f. unten). Der urfprüngliche Zuftand der Wände ift durch Tünche 
und neue Bemalung faft überall bis zur Unkenntlichkeit entftellt. In den Gewölben 
kommen hier — zum erftenmale am Dom — Ziegel vor. Es find — nach Schneider — 
fehr fcharf gebrannte Steine von hellgelber Farbe, im Ton dicht verarbeitet und mit 
Spuren von Mufcheln, 25 cm lang, 15 cm breit, 51/, cm dick. 
Der Fußboden der Kapellen lag gewiß auch urfprünglich um eine bis zwei Stufen 
höher als der der Seitenfchiffe. 
Verfchiedenheiten begegnen in der Architektur und in der formalen Durchbildung der 
Kapellen. Zufeiten des Zugangs zu der erften Kapelle der Nordreihe (von Often 
her gerechnet) ließ man die alte Nordwand des Oftbaus in voller Stärke ftehen (vgl. 
Abb. 55 S.107). Das engte den Raum fo ein, daß man ein volles Gewölbe auf Dienften 
nicht einfegen mochte. Man ließ folglich den Schildbogen und die Rippen an der Oft- 
wand auf Konfolen fußen, während fie an der Weftwand in diefe eintauchen.!) Die 
Konfolen, polygon, unten zugefpitt, mit leicht einwärts gefchwungenen Seiten haben 
noch einen befonderen Schmuck: an der Nordoftkonfole klebt plaftifch ein Paar, das 
fich umarmt, an der Südoftkonfole ein Mann, der den geneigten Kopf in die Hand 
ftüst. Das Profil der Rippen zeigt einen ftarken mittleren, gefchärften, fchon faft birn- 
förmigen Stab und feitlich zwei föhwächere entfprechende Stäbe, die drei durch Kehlen 
voneinander getrennt. Der Schlußftein hat ein rotierendes Ornament, eine Art Rad mit 
gefchwungenen Speichen. 
Das Fenfter ift achtteilig, es befteht aus zwei Gruppen von je zweimal zwei Einzel- 
fenftern. Das Profil des Gewändes entfpricht dem Profil Abb. 68 II (vgl. dazu oben 
Tafel 12a); davon gilt: der innere Rundftab bildet die Umrahmung der beiden Fenfter- 
Hauptgruppen. Er kehrt dementfprechend am Mittelpfoften wieder. Dagegen geben die 
äußeren Profile nur die Umrahmung des Gefamtfenfters ab. Die Pfoften der Fenfter- 
Unterteilung (in zwei Abftufungen) haben ein einfach flachgekehltes Profil. Sie laufen 
fich in der abgefihrägten Fenfterbank tot, während die Rundftäbe der Hauptumrahmung 
und ebenfo die beiden äußeren Stabprofile’des Gewändes auf polygonen Sockeln und 
Bafen mit flach konkav gefchwungenen Seiten fußen. Alle diefe Stäbe find mit fehr 
fehönen Laubkapitellen ausgeftattet. Auch im Maßwerk hat nur die Hauptgliederung 
das Rundftabprofil, die Unterteilung dagegen das flach gekehlte. Die Maßwerkfigur 
zeigt Tafell2a. Bezeichnend ift, daß die Nafen der Unterteilung fpige Kleeblattbogen 
abgeben, daß die Vierpäffe (in drei Größen) dagegen rundbogig find, und daß auch 
die Nafen des großen Vierpaffes oben fich in Rundbogen zufammenfchließen. 
Der Bogen, der über den Zugang zu diefer erften Kapelle gefchlagen ift, hat kein 
befonderes Profil: die Mauer ift genau in der Flucht der großen romanifchen Rund- 
bogenblende, die wir an der einftigen Außenwand hier vorauszufegen haben (f. oben 
S. 108), durchbrochen und halbkreisförmig ausgewölbt. 
Zwifchen den nächften Pfeilern öffnet fich die Kapelle in einem Spitbogen, deffen 
Profil zugefpitt ift mit zweimal flach gekehlten Seiten; und diefer Bogen fitt an den 
Pfeilern auf polygonen, [pi zulaufenden Konfolen, deren Seiten einwärts gefchwungen 
find. Diefe Anordnung ift dann für die ganze Nordreihe der Kapellen beibehalten. 
Die zweite Kapelle (von Often) weift nun die volle Pracht gotifcher Architektur auf: 
den romanifchen Pfeilern find nach außen reich gegliederte Vorlagen angebunden, aus 
denen fich Gurten, Rippen und Schildbogen folgerichtig entwickeln. Dementfprechend 
1) Dies freilich erft, feitdem die urfprünglich durchbrochene Scheidewand zwifchen der 
erften und zweiten Kapelle voll ausgemauert und verftärkt ift (1868), f. oben S. 26 und S. 144. 
   
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
    
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