Ehemalige
Marien-
Kapelle
144 Baubefchreibung: Das Innere des Domes, Kapellen der Südfeite
gewährte. Diefe legte Kapelle öffnete fich urfprünglich in einem Fenfter (in der Oft-
wand) gegen den Kreuzgang. Die Fenfterarchitektur entfprach durchaus der des Fen-
fters in der Südwand. 1868 wurde die Oftwand maffiv ausgemauert und verftärkt,
wie gegenüber in der Kapellenreihe der Nordfeite der Bogen zwifchen Kapelle I und II,
um mit diefer Strebemauer dem — vorausgefegten — Seitenfchub vom Chorturm
her einen befferen Widerftand zu bieten. Bei diefen Arbeiten fanden fich die Refte
einer fthönen gotifchen Altararchitektur an der Oftwand, die Schneider im Kreuz-
gang wieder aufftellen ließ.!)
Es bleibt nur noch übrig, die Schlußfteine zu charakterifieren. In dem Joch zunächft
der Memorie (VIII) ift der Schlußftein mit Laubwerk gef£hmückt. Der nächfte Schluß-
ftein zeigt eine große geflügelte Geftalt mit einem nackten Kind, d. h. den Erzengel
Michael mit einem Seelchen (Tafel 32g);?) der dritte (X) in der Mitte eine Rofe, um-
fteckt von einzelnen, frei nach unten ftrebenden gebuckelten Blättern. Am vierten
Schlußftein (XI) fieht man „rotierendes“ Eichenlaub; der fünfte (XII) trägt eine
Maske mit vier Blattgruppen; der fechfte (XIII) hat wiederum „rotierendes“ Eichen-
laub, diesmal mit Eicheln; der fiebente (XIV) ift durch einen vierfeitigen Baldachin
mit Maßwerkwänden erfegt (Tafel 32 h—I).?) Und im legten Joch find die Rippen mit
frei hängenden Kleeblattbogen befett: in der Mitte treffen fich die inneren Bogen-
fchenkel der vier legten Bogen in einer Spitze.
In der Michaelskapelle (VIII, IX) findet fich an der Südwand ein Becken, das halb
in die Mauer vertieft, zur anderen Hälfte auf einer Konfole in den Raum vorfprin-
gend als Ausguß dient. In den folgenden Kapellen (XI, XIII) hat der Ausguß mehr-
fach die Form einer ftehenden rechteckigen Wandnifche. In die Öffnung ift oben ein
Spigbogen eingefett, die Zwickel find mit Dreipaß-Runden gefüllt. Noch ftattlicher
ift endlich der Ausguß der Allerheiligen-Kapelle (XV): hier find die Innenwände der
Nifche mit fpigen Kleeblattbogenblenden gefChmückt, und ihre Decke bildet ein richtiges
Kreuzrippengewölbe (leider ftark verftümmelt).
Von Pfeiler zu Pfeiler find zwifchen Kapellen und SeitenfChiff Bogen gefpannt, die
ein dreifeitiges Innenprofil haben: zwei Seiten find flach gekehlt, die Mitte nimmt ein
breites Band ein. An der Stelle diefes Profils tritt zwifchen der legten Kapelle (XV)
und dem Seitenfchiff wieder der beiderfeits zweimal gekehlte, an der Mittelkante ab-
geplattete Bogen auf Konfolen auf wie an der Norfeite (f. S. 138).
Die Reihe der Südkapellen ift um 1300 begonnen worden. Das erfte Datum, das
wir haben, 1301, bezieht fich auf die Andreaskapelle (X), alfo die zweite der Süd-
feite. 1319 war die legte, die Allerheiligenkapelle, bereits im Bau.
Beträchtlich fpäter wurde die Reihe der gotifchen Kapellen an der Nordfeite ver-
vollftändigt. Um 1495 baute man die Kapelle Beatae Mariae virginis(XV])
am Weftende des nördlichen Seitenfchiffes. Sie umfaßt die zwei Joche zwifchen dem
Marktportal und dem Nordflügel des Weftquerhaufes und ift mit einem Sterngewölbe
gedeckt. Der Gurtbogen zwifchen den beiden Jochen ruht auf einer fehr beträchtlichen
Wandvorlage, und ebenfo tritt die gotifche Vorlage des romanifthen Seitenfäiffpfeilers
!) Vgl. unten das Kapitel Ausftattung; dazu Schneider Sp. 101/102. Eine genaue Aufnahme
des Zuftandes vor der Veränderung der Oftwand im Dombaubüro.
2) Die alte Bemalung der Figur fchildert Schneider in feiner Bauchronik (f. oben S. 2).
Die Bemalung ift gründlich erneuert.
3) Die Schlußfteine (Tafel 32b,c, f, h) konnten nach Gipsabgüffen aufgenommen werden; die
übrigen mußten an Ort und Stelle photographiert und beträchtlich vergrößert werden. Wer
die dort herrfchende Dunkelheit und die Raumenge kennt, wird begreifen, daß wir uns in
diefen Fällen mit einem nicht voll befriedigenden Ergebnis abfinden mußten.
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