150 Baubefchreibung, die Einbauten: Weftchorlettner
nennt.!) Aber wie immer: aus dem Kapuzinergarten wurden fie 1832 in das Kapitel-
haus des Domes und 1839 an ihre heutige Stelle verfett. Damit aber kamen fie ledig-
lich zu ihrem urfprünglichen Eigentümer zurück. Denn es kann kaum zweifelhaft fein,
daß fie in den Dom und zwar zum einftigen Lettner des Weftchors gehören.?)
Man fieht deutlich, daß in der Mitte eine fenkrechte Fuge durch das Relief geht.
Es ergeben fich alfo zwei Platten, beide 90 cm hoch, aber nicht ganz gleich lang. Die
Platte links (mit den Verdammten) mißt oben 98, unten 46 cm; die Platte rechts (mit
den Seligen) oben 110, unten 50 cm. Gearbeitet find fie aus grauem Keuperfandftein,
den leider dicke Farbfchichten decken.
Erhalten find die Reliefs [chlechter, als man zunächft glaubt: fie find ftark ergänzt.
So find neu der weinende Knabe links und der Kopf links hinter ihm; an dem fich
krümmenden und zurückwendenden Mann der rechte Arm ganz, der linke Unterarm;
weiter der Arm, der hier die Kette hält; an der Dame der Fuß; an dem Mann links
von der Fuge der Kopf (fo gut er ift), der linke Unterarm, der rechte Fuß, der linke
Unterfchenkel ; endlich die Kette zum allergrößten Teil, foviel ich fehen kann.
Auf der rechten Seite find neu am König der rechte Unterarm mit der Hand und
die Zacke feiner Krone.?) Die Ergänzungen (und die gotifche Faffung) dürften aus der
Zeit nach 1841 ftammen: damals wurde der Kreuzgang hergeftellt.
Die Zutaten treffen ohne Zweifel nicht durchweg das Richtige. Stellen wir die beiden
Reliefs richtig (Abb. 76), [fo verfällt man bald darauf, dem ftrahlenden Engel zur Rech-
ten des Weltenrichters einen kleinen hockenden Teufel (zur Linken Chrifti) als Gegen-
ftück zu geben. Er würde den Pla des weinenden Knaben (der unmöglich ift) nicht übel
füllen. Die Kette, die nicht nur nicht undenkbar ift, wie Stix zu glauben fcheint, fondern
vielmehr ganz ficher, hat er gehalten. Weitere Reliefs müffen fich nach außen ange-
f[chloffen haben, vielleicht links ein heiliger Michael oder Petrus, die Himmelpforte ;
rechts der gähnende Höllenrachen. Alles weitere bleibt gänzlich ungewiß.
Immerhin können wir uns nun von dem ganzen Lettner nach Analogie des Naum-
burger Weftlettners ein annähernd zuverläffiges Bild machen. Er ftellte eine nicht
fehr tiefe Bühne dar, entweder mit Vorder- und Hinterwand, oder vorn mit offener
Arkade; in der Mitte war der Eingang, in deffen Giebel der Weltenrichter thronte;
an den Giebel fihloffen fich rechts und links die Reliefs an (wie in Naumburg), die
die vordere Brüftung der Bühne f&hmückten; an der Rückfeite des Aufbaues befanden
fich die beiden Treppen, die zur Bühne emporführten.
Daß wir ein gutes Recht haben, den Naumburger Lettner unmittelbar zur Rekon-
ftruktion des Weftlettners im Mainzer Dom heranzuziehen, das beweift nicht nur der
Aufbau und der Schmuck der Treppentürme. Vor allem beweift es die Verwandtfchaft
des Stils der Mainzer Reliefs mit dem Stil der Naumburger Lettner-Hiftorien. Vöge
und Stix haben die wefentlichen Züge zufammengeftellt. Schon der Reliefftil ift ver-
wandt: zwei Reihen von Figuren in gleicher Kopfhöhe, die vordere ftatuarifch rund,
die hintere flacher, ihre Köpfe gern en face geftellt; weiter das Gedrängte, die „über-
quellende“ Plaftik. Dann die Typen: „Die Stirnen glatt, breit; die fcharf gefalteten
Augen klein geöffnet; der Mund nicht breit, aber voll, mit [‘hmollend vorgefchobener
!) Die Kunfttätigkeit in Mainz von Willigifens Zeit uff. 1869. S. 25 „wie Dürr angibt“;
Falk zitiert dazu die oben genannte Differtation. Dürr führte den Vorfiz bei der Promotion
des Dr. Pellens.
2) S.149 Anm. 2.
) Ohne diefe Ergänzungen zeichnete Lindenfchmit 1805 die Tafeln. Das Blatt ift in
der Stadtbibliothek (Bauten: Mappe II, Convolut Lindenfchmit III, 232). Den heutigen Zu-
ftand geben die Kroftfchen Photographien (auch Einzelheiten) und darnach unfere Tafel 33,
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