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Baubefchreibung, die Einbauten : Oftchorlettner 161
etwas bekannt wäre, unterden Trümmern im Obergefchoß des Kreuzganges. Endlich ift
in jener Sammlung von Bruchftücken noch die Frage erhalten, die Tafel 35 f wiedergibt,
26 cm hoch, wiederum aus grauem Sandftein, mit Farbfpuren. Offenbar ift es eine
Teufelsfrage, und die Vermutung liegt nahe, fie dem Weftlettner zuzuweifen. Wie
aber kommt fie dann in unfere Sammlung von Bruchftücken? Oder follte auch der
Oftlettner noch weiteren Schmuck gehabt haben?!
Dem Stil nach fteht der Oftlettner dem Portal im nördlichen Zugang zum Chor
(Tafel 30 b) nahe (vgl. die Zufammenfaffung oben S.135 f.). Diefes Portal, das fich nicht
leicht in die Reihe der Arbeiten des Weftlettnermeifters einfügt, wird wohl aus der
Werkftatt des zweiten Gotikers am Mainzer Dom ftammen. Dafür fpricht fchon die
Behandlung des Blattwerks hier und dort. Dagegen laffen fich das ftattliche Portal
zum füdlichen Chorzugang und die Faffung der großen Aufzugöffnung im legten
(öftlichften) Joch des Mittelfchiffs mit dem Weftlettner zufammenftellen. Man vergleiche
das rundlappige, teils gebuckelte, teils flach löffelartig gehöhlte Laub an der Aufzug-
öffnung mit den Blättern an den Unterfeiten der Stufen in den Treppentürmen des
einftigen Weftlettners. Ebenfo find die Säulchen an der Aufzugöffnung denen der
Treppentürme ähnlich.!) Etwas entfernter verwandt ift mit diefen Arbeiten das Portal
zum füdlichen Chorzugang. Zur Architektur des Weftchors und des Lettners in Naum-
burg zeigt aber die ganze Gruppe allerlei Beziehungen. So find die Blattkonfolen der
Dienfte zu Häupten der Figurenpaare im Naumburger Weftchor mit dem genannten
Blattwerk in Mainz verwandt. So erinnert die Profilierung des oben erwähnten Mainzer
Portals in einigen Zügen an die Profilierung der Blendarkaden am Naumburger Lettner
und fo weiter. Darnach hätten wir alfo für die Jahre 1233—1239 die Tätigkeit zweier
Meifter am Dom anzunehmen, die vermutlich gleichzeitig hier die Lettner, den Schmuck
der Weftchorportale an den Verbindungen zum Querhaus und einzelne Schlußfteine
f[chufen, beide kamen von Frankreich, der zweite hat ficher einmal in Reims gearbeitet.
Der Oftlettner fieldem Pfeilereinbau unter dem Triumphbogen zum Opfer. Schneider
hat an verfchiedenen Stellen?) den Pfeiler und den neuen mit ihm errichteten und an
ihn angefchloffenen Lettner befchrieben. Erhalten ift davon nur noch ein Haufe arg
zerftoßener Trümmer (im Obergefchoß des Kreuzgangs). Immerhin vermag man fich
eine ungefähre Vorftellung vom Ausfehen diefes zweiten Oftlettners zu bilden (vgl.den
Grundriß Tafel 5 und Abb. 49). Der Bau hatte fünf Joche, drei fthmale, nahezu
quadratifche, die den drei Pfeilermaffen entfprachen, und zwei breitere, die die Durch-
gänge zum Chor bildeten. Die Gewölbe ruhten öftlich auf Pfeilervorlagen, nach dem
Schiff zu auf Säulen. Die fünf Bogen nach dem Schiff hatten Wimperge, deren Schenkel
„auf phantaftifchen Köpfen auffegten“. Die Netgewölbe waren mit reich verzierten
Schlußfteinen ausgeftattet: „in die Kreuzungswinkel der Rippen fügte fich freies Laub-
ornament ein“. Die erhaltenen Bruchftücke (ein paar Rippenkreuzungen mit Masken,
aus grauem Sandftein mit Farbfpuren, im Kreuzgang oben und unten) erlauben
wenigftens das Urteil, daß auch mit diefem Bau ein feines, reiches Kunftwerk zugrunde
gegangen ift. Nach den Altarftiftungen — es ftanden drei Altäre unter dem Lettner — ift
das Ganze um 1435— 1445 errichtet worden.
Im Jahre 1417 oder 1418 ftiftete und dotierte Erzbifchof Johann II von Naffau eine
Doppelkapelle, tabernaculum bezeichnet, zu Ehren des heiligen Martin im Dom.
!) Das hat fchon Schneider in feiner Bauchronik (f. oben S. 2) bemerkt.
2) Sp. 39 nebft Anm. 1 und 2. Vgl. auch feine Bauchronik (Nachlaß XII, 5) zum Jahre 1869.
Ferner Gräberfunde 380, und am ausführlichften: Der Pfeiler im Mainzer Dom. Anzeiger f.
Kunde der deutfchen Vorzeit N. F. XVII. 1870. Sp. 195 ff.
11
Naffauer
Gedächtnis-
Kapelle