1776 Domausftattung: Schickfale
vom Donnersberg“, zu deffen Mitherausgebern er gehörte, veröffentlichte er im Mai
18021) einen flammenden Aufruf. Von einem Augenzeugen gefchrieben, gibt diefer
Aufruf das anfchaulichfte Bild von dem wüften Treiben im Dome; er foll deshalb
hier in feinem ganzen Umfange wiedergegeben werden.
„Der Dom zu Mainz.*
„Es ift die Pflicht jedes guten Bürgers nadı Kräften zur Er-
haltung alles deffen beizutragen, was inirgend einer Hinfict
den Wiffenfchaften und Künften vorteilhaft feyn könnte: es ift
die Pflicht jedes guten Beamten, feine Bemühungen thätigft
zu unterftügen.“
„In diefer Überzeugung lenk’ ich die Öffentliche Aufmerkfamkeit auf einen
Gegenftand, der keinem unterrichteten, keinem vaterländifch gefinnten Manne
gleichgültig feyn follte. Ich thue dieß nach verfchiedenen vergeblichen Verfuchen,
den wichtigen Zweck auf andre Art zu erreichen.“
„Schon feit dem Brande der hiefigen Domkirche in der Belagerung von 1793
war für die dafelbft befindlichen Denkmäler wenig Hoffnung, da dieß Gebäude
beftändig zu Magazinen gebraucht und alfo der Willkühr zum Theile roher oder
habfüchtiger Menfchen überlaffen wurde.“
„Durch die Art, wie fie darin hauften, ift auch wirklich dasfelbe zu einem öffent-
lichen Schandmale der menfchlichen Verdorbenheit geworden. Um einen elenden
vergoldeten Nagel zu erbeuten, fette fich der Räuber oft der Gefahr aus, den Hals
zu brechen; um feinen ekelhaften Spaß an einer Marmorftatue zu verewigen,
kletterte ein herz- und geiftlofer Vandale an eifernen Gittern empor, und meiftens
mußt ihn für feine Mühe, das Vergnügen der Zertrümmerung eines Denkmales
entfChädigen, das Jahrhunderten getrott hatte. Aus boshaftem Mutwillen wurde fo
der Denkftein von Faftrada, der Gemahlin Karls des Großen, verlegt; das merk-
würdige Monument des Generals Lamberg, das bei 30 Schuhe hoch über dem
Boden fchwebt, befchädigt und beraubt; der fChöne Saturnuskopf (von dem Meifel
Melchiors) gefchändet, und überhaupt kein Denkmal verfchont, das nur irgend
einen bedeutenden oder unbedeutenden Schmuck fehen ließ.“
„Die Zerftörung ift in allem Betrachte ein Meifterftück der Roheit und Habfucht
und erinnert lebhaft an die Zeiten eines Attila. Man fChaudert unwillkührlich bei
diefer Erinnerung, bis der Gedanke an das Jahrhundert der Aufklärung erröthen
macht. Aber noch nicht genug. Als die Raubfucht nichts mehr über der Erde fand,
erbrach fie Gewölbe, warf die Knochen des Todten aus dem zinnernen Sarg — Und
weffen Gebeine traf diefes entweihende Los? — Eines Emrich Jofephs, fagen
Leute, die ihn beerdigen fahen; diefes trefflichen Fürften, bei deffen Grabe fich
kein Patriot einer Thräne fchämen dürfte, der fo Unermeßliches für die Bildung
feines Volkes gethan, und nun nicht einmal unter der Erde vor Barbaren Ruhe
fand. — Vergebens verfolgte der Arm des Gefetes zeither die unbekannten Thäter
diefes Bubenftücks,?) und es ift zu zweifeln, ob er fie je erreichen wird. So lang der
!) So nach Wetter, „Dom zu Mainz“, S. 149 ff., wo diefer Aufruf wiederabgedruckt ift. Wetters
Angabe über die Quelle ftimmt nicht; denn im Mai 1802 war der „Beobachter vom Donners-
berg“ fchon eingegangen. Nach Schaab II S. 19 ftand er im Mai 1802 in der „Mainzer Zeitung“.
Leider war die betreffende Nummer hier nicht mehr aufzutreiben, wir drucken ihn daher
nach Wetter ab.
2) „Man hat feitdem erfahren, daß ein franzöfifcher Kommiffär der Räuber gewefen, welcher,
um den zinnernen Sarg entwenden zu können, die Gebeine des edelften Fürften zerftreute.“
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