Full text: Der Dom zu Mainz (B, [2], Band 2, Teil 1)

   
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Domausftattung: Schickfale 177 
Krieg wüthete, mußte alle Rückficht dem Bedürfniffe oder der Übermacht weichen; 
aber follte nach all diefen empörenden Erfahrungen, bei all diefem fchauderhaftem 
Anblick der Verwüftung, dies Gebäude nicht wenigftens itt eine andere Beftimmung 
erhalten ? Wer bürgt dafür, daß die unterirdifche Verwüftung nicht noch vollkom- 
mener werde, als die fichtbare, daß nicht noch mehr folcher räuberifchen Maulwürfe 
fich in die Gräber der Vorzeit wühlen und die lebende Generation befchimpfen? 
Wer bürgt dafür, daß die Refte der gefchändeten Denkmäler nicht gänzlich zerftört 
und diefe Domänen der Gefchichte nicht ihr völlig entriffen werden? Die Regie- 
rung wird gewiß diefe ihren Grundfägen fo fehr widerfprechende Vernachläffigung 
nicht dulden. Es wird hinlänglich feyn, daß fie diefelbe erfahren, und dazu fchien 
mir der Weg der Publizität der kürzefte und ficherfte.“ 
Pr. Lehne, 
Profeffor an der Univerfität zu Mainz.“ 
Dazu bemerkte Wetternoch: „Daß die Stimme troß, trot ihrer Eindringlichkeit, die 
eines Rufenden in der Wüfte blieb und die oberfte Behörde des Departements, weit 
entfernt, fich zur Rettung bewegen zu laffen, fogar auf gänzliche Vernichtung des Domes 
antrug und auf folchem Antrage beharren konnte, ift ein auffallendes Zeichen der 
frivolen Gefühllofigkeit jener Zeit.“ 
Wie Lehne, Bodmann und andere-für die Denkmäler, fo trat in der Folgezeit der 
neue Bifchof von Mainz, Jofef Ludwig Colmar, mutig und mit Erfolg für den Bau 
felbft ein: er hat den Dom recht eigentlich gerettet.!) Am 21. November 1803 wurde 
ihm der Dom überwiefen, am 15. Auguft 1804 der Gottesdienft wieder eröffnet. 
Noch einmal brach über den Bau und mehr noch über feine Denkmäler ein neues 
Verderben herein. Am Abend des 9. November 1813 wurden 6000 Mann des bei 
Leipzig gefchlagenen Heeres Napoleons in den Dom einquartiert. Sie blieben darin 
bis zum 27. November des Jahres. Es war Winter, fo berichtet Schaab, Gefchichte 
der Stadt Mainz II S. 84f., und die armen und zum Teil kranken Menfchen hatten 
kein Holz; ihnen war es daher nicht zu verargen, wenn fie alles, was fie in ihrer 
Nähe fanden, Kirchen- und Beichtftühle, zerföhlugen und verbrannten. Am 28. No- 
vember zogen fie ab, und nun wurden einige hundert Ochfen in der Kirche und dem 
Kreuzgange untergebracht und was nicht krepierte darin gefChlachtet. Später wurde 
fie als Frucht- und Fourage-Magazin benußt. Erft nach der Wiederbefegung der Stadt 
durch die Deutfchen am 4. Mai 1814 konnte zu ihrer Reinigung und Herftellung zum 
Gottesdienfte gefChritten werden. 
Als im Dom die Ordnung wieder eingekehrt war, ging man alsbald daran, auch die 
Ausftattung wieder herzuftellen. Insbefondere in den 30er Jahren ift eine größere An- 
zahl von Altären und Denkmälern ausgebeffert, ergänzt, zum Teil auch neu bemalt 
worden.?) Es wird darüber bei den einzelnen Stücken das Nötige gefagt werden. Ganz 
allgemein ift aber feftzuftellen, daß leider nicht in einem einzigen Falle forgfältige 
Aufzeichnungen oder Aufnahmen des vorgefundenen Zuftandes vor der Herftellung 
gemacht worden find. Das ift um fo mehr zu beklagen, als man bei den Erneuerungen 
mitunter höchft gewaltfam verfuhr. Insbefondere einzelne Altäre find, wie wir fehen 
werden, geradezu aus Bruchftücken ganz verfchiedenartiger Herkunft völlig willkür- 
lich neu zufammengebaut worden. Dies zu verftehen, muß man fich die Not der Zeit ver- 
gegenwärtigen. Und jedenfalls darf man fagen: auf diefe Weife find die Trümmer 
doch immerhin erhalten worden; ohne folche „Herftellungen“ wären auch fie, wie fo 
unendlich viele andere, höchftwahrfcheinlich [purlos verf&hwunden. 
!) Ausführlich gefchildert bei Schneider, Dom, Sp. 108 ff. 2) Werner, Dom III S. XII ff. 
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