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Ausftattung: Naffauer Altar (St. Bartholomäus) 183
die Seitenverkleidung, und fo erklärt fich auch, warum der Ornamentanfag darüber
auf eine fo unmögliche Weife unten aufhört. Alle diefe Bedenken richten fich, wie man
fieht, gegen die Seitenflügel des Hauptgefchoffes. In der Tat waren diefe urfprünglich
anders geftaltet. Werner (1S.291 Anm.) fagt: „ftatt der nun dafelbft angebrachten Figuren
(nämlich der Kreuzfchleppung und der Frauen) befanden fich ehehin die Statüen der
beiden Edeln von Naffau in knieender Stellung.“ Ganz abgefehen davon, daß Werner
unbedingt Glauben verdient, ift feine Angabe auch an jich überaus wahrfchein-
lich; über jeder der beiden Infchriften befand fich urfprünglich der im Text genannte
knieende hohe Herr. Ja, wenn ich mich nicht täufche, ift uns wenigftens der eine der
beiden Naffauer noch erhalten. Ich werde unten zeigen, warum die knieende Figur
links im Altar der Allerheiligenkapelle diefem Altar nicht angehören kann: in ihr
könnte man recht wohl den Domherrn Heinrich von Naffau erblicken. Material und
Arbeit ftimmen fehr gut zu diefer Annahme. Die Figur ift aus demfelben Tuff wie
der größte Teil des Altars (der Kopf ift ergänzt: Gips). Und ihre Maße (83 cm Höhe
und 25 cm Tiefe) paffen vortrefflich an die angegebene Stelle (die Nifche ift bis zur
Unterkante des Gefimfes 90 cm hoch, der Raum vor der Nifche 23,5 cm tief, alfo mit
der Tiefe der Nifche reichlich tief genug). Ja, die breite, knieende Figur füllt und be-
lebt den Plat viel beffer als die Gruppe, die heute dafteht.
Höchftwahrfcheinlich ift alfo der Hergang diefer gewefen: Die Figur des Kaiferlichen
Rats war fehr fchwer befchädigt oder fie war ganz abhanden gekommen, fodaß man
fie nicht mehr herftellen konnte. So entfernte man auch ihr Gegenüber, das eine andere
Unterkunft fand. An die Stelle der Figuren brachte man die Gruppen der Kreuz-
[öhleppung. Diefe Gruppen find zwar ftark ergänzt, aber ebenfalls alt: ihr Material
ift derfelbe Tuff, den der Altar fonft zeigt, und ihrem Stil werden wir anderenorts
wieder begegnen. Sie mögen von einem der verfchwundenen Altäre ftammen.
Gelegentlich diefer Veränderung wurden die Sockel mit den Infthriftkartufchen
nur obenhin hergeftellt: fo find die Mängel zu erklären, die fie aufweifen. Wieviel über
diefe Umwandlung hinaus im einzelnen ergänzt, ausgebeffert — vielleicht auch ver-
ändert — ift, läßt fich heute fihwer fagen. Überall liegt eine doppelte, ja dreifache
Tünche oder Farbfchicht auf, zum Teil fo dick, daß alle Feinheit der Arbeit verloren-
gegangen ift.
Über den Stil des Reliefs, Figuren und Dekoration ift folgendes zu fagen. Das Haupt-
ftück ift das große Relief der Kreuzigung in der Mitte (Tafel 40). Es ift aus drei Tafeln
zufammengefegt. Was den Stil auszeichnet, ift die große Beweglichkeit, ja das Pathos
der fchlanken Geftalten. Die Köpfe namentlich der Soldaten haben durch die energifhe
Betonung des Knochengerüfts, das Tieflegen der Augen, das Öffnen des Munds mit
vorgefchobenen Lippen etwas Maskenhaftes bekommen. Demgegenüber ift Maria ge-
wollt ruhig und groß, auch im Gewand. Den Eindruck reicher Pracht fteigern die vielen
in flachftem Relief ausgearbeiteten Ornamente auf Stoffen und Waffen. Und die üppige
Landfchaft vollendet den malerifchen Charakter des Ganzen. Es ift die tüchtige Arbeit
eines gefchickten Meifters folcher dekorativen Reliefplaftik.
Vom Stil diefes Mittelftücks unterfCheidet fich deutlich der Stil der Beweinung unten.
Diefes Relief gehört, wie die beiden anderen oben im Auffa, zufammen mit den
fonftigen Figuren und dem Schmuck des Altars (abgefehen natürlich von den Gruppen
der Kreuzfchleppung und der Frauen, von denen noch die Rede fein wird). Alle diefe
Teile haben ein einheitliches Gepräge: die Figuren find fehlank und feingliedrig; fie
haben etwas Jugendliches, felbft wenn fie reife Männer darftellen. Die Köpfe find von
regelmäßiger Schönheit; die Gefichter fein, mit hoher Stirne und kurzem Untergeficht.